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Im Schweigen auf die innere Stimme hören

Renate HallerKlosterkirche St. Vitus in DrübeckDie romanische Klosterkirche St. Vitus in Drübeck hat an einer Seite einen üppigen Klostergarten

Kloster Drübeck lädt ein, den Alltag zum Verstummen zu bringen • Von Renate Haller

Zahlreiche Klöster bieten Tage der Stille und der Einkehr an. So auch das Kloster Drübeck bei Wernigerode im Harz. Es ermöglicht Besuchern eine Auszeit, die sie dankbar annehmen.

Dienstag, 12.15 Uhr, mitten am Tag. Im Normalfall heißt das, schnell etwas mit der Kollegin besprechen, kurz eine E-Mail verschicken, nachsehen, was in der Post ist. Alltag: Für viele Menschen bedeutet das eilige Betriebsamkeit, oft Stress. Doch heute und hier ist das anders: „Mitten am Tag innehalten – und Halt machen bei Gott.“ Etwa 30 Frauen und Männer folgen der Aufforderung von Pfarrerin Brigitte Seifert. Sie steht neben dem Altar der St. Vitus-Kirche, Teil des ehemaligen Benediktinerinnen-Klosters Drübeck.

Auszeit vom Alltag im Haus der Stille

„Mitten am Tag aufhören – und hören auf die innere Stimme.“ Die Gottesdienstbesucher holen Atem, versuchen sich einzulassen auf die Unterbrechung des Tagwerks, des üblichen Hetzens durch die Stunden. Sie sind dankbar für die Auszeit, für die Ruhe, die sich ausbreiten darf.

Der größte Teil der versammelten Frauen und Männer ist als Tagungsgast nach Drübeck gekommen. Das ehemalige Kloster beherbergt heute das Evangelische Zentrum Kloster-Drübeck, eine Einrichtung der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. Zum Zentrum gehört auch das Haus der Stille. Im nördlichen Vorharz bei Wernigerode gelegen, bietet es einen Ort für Menschen, die innere Einkehr und Besinnung suchen.

Schweigen und Stille neu lernen

Begleitet und angeleitet werden sie von den Pfarrerinnen Brigitte Seifert und Irene Sonnabend. Durch die Tagungsgäste im Evangelischen Zentrum und die Gäste im Haus der Stille treffen sich Welten auf dem Klostergelände – vereint sind sie in Gebet und Andacht in der Kirche, deren romanischer Kernbau aus dem späten 10. Jahrhundert stammt.

Nach dem kurzen Gottesdienst zur Mittagsstunde gehen die Gäste zum Mittagessen. Für die Ruhesuchenden ist ein Raum abgetrennt, der den Blick durch große Fenster nach draußen in die reich bepflanzte Klosteranlage schweifen lässt. Gegessen wird an den geschmackvoll weiß eingedeckten Tischen im Schweigen.

„Das Schweigen gehört zum Programm“

Manchen Menschen fällt es schwer, in Gegenwart anderer zu schweigen, andere sind froh, „nicht ständig etwas Kluges sagen zu müssen“, sagt Irene Sonnabend. Im Haus der Stille gehört das Schweigen zum Programm. Es öffnet den Raum für eine vertiefte Wahrnehmung, meist ungehörtes hat die Chance, deutlicher hervorzutreten. „Wir können auf Stimmen hören, die im Alltag leicht überhört werden“, sagt Brigitte Seifert und meint damit auch Bezüge zur Natur, zur Seele und zu Gott.

Renate HallerDie Pfarrerinnen Brigitte Seifert und Irene SonnabendDie Pfarrerinnen Brigitte Seifert (links) und Irene Sonnabend begleiten die Gäste im Haus der Stille im Kloster Drübeck

Rund 450 Menschen nehmen jährlich an den Kursen im Haus der Stille teil. Dazu kommen Einzelgäste und diejenigen, die den monatlich angebotenen Ruhetag nutzen, um ihren Alltag für einige Stunden hinter sich zu lassen und einzutauchen in das Leben hinter den dicken Klostermauern. Es sind Menschen, die an einem Scheidepunkt stehen, die sich sammeln wollen, Menschen in Lebenskrisen und solche, die ihren Glauben vertiefen wollen. „Wir versuchen, mit ihnen Worte für die Wirklichkeit im Inneren zu finden“, sagt Pfarrerin Seifert.

Immer mehr Menschen suchen die Ruhe

Die meisten Gäste gehören der Mittelschicht an, sind jenseits der 50, zu zwei Dritteln weiblich, und viele kommen aus sozialen oder therapeutischen Berufen. „Das Bedürfnis nach Angeboten wie den Unsrigen steigt“, hat Seifert beobachtet. Viele Menschen suchten in der reizüberfluteten und immer lauter werdenden Welt nach Oasen der Stille. Im Klostergarten sollen sich die Gäste, auf das was sie sehen, riechen und hören, konzentrieren.

Gäste sollen sich auf ihre Sinne konzentrieren

Finden können sie die in den Gärten des Klosters. Dort, zwischen Lupinen und Rittersporn, zwischen Rosmarin und Salbei, trifft sich Irene Sonnabend mit den Einkehrsuchenden zu „Exerzitien der Sinne“. Die Gäste versuchen sich in der Konzentration auf das Riechen, das Sehen und das Hören. Sie laufen durch den Garten, spüren bewusst den Boden unter den Füßen, und manche fangen an zu hüpfen, wie sie es als Kinder getan haben. Das spätere langsame Gehen fällt zunächst schwer, noch immer treibt der Alltag an, lässt meditatives Spazieren nur langsam zu. Auch die Nächte sind für einige Gäste schwierig: Wenn es draußen ruhiger wird, könne der Lärm im Inneren anschwellen, erklärt die Seelsorgerin.

Gärten zwischen romanischen Mauern

Die Gärten sind Teil der Klosteranlage, deren Anfänge auf das Jahr 960 zurückgehen. Benediktinerinnen zogen sich hinter die romanischen Mauern zurück, lebten ihren Rhythmus zwischen Gebet und Arbeit. Im Zuge von Reformation und Bauernkriegen wurden sie vertrieben, ein Brand hinterließ 1599 Spuren der Verwüstung. Ende des 17. Jahrhunderts gelangte die Anlage in den Besitz des Grafen zu Stolberg-Wernigerode, der einen evangelischen Damenstift errichten ließ. Neben dem Gemüsegarten und dem Garten der Äbtissin hatten fünf Damen eigene Gärten, ein jeder ummauert und mit einem Gartenhäuschen versehen.

Mit dem ganzen Körper den Weg zur Stille suchen

Wo sich einst die Stiftsdamen zu Sammlung und Andacht zurückzogen, suchen nun die Gäste des Hauses der Stille einen Ort, an dem sie sich auf sich selbst besinnen können. Sie riechen am Gras, schmecken den Klee und hören dem Gezwitscher der Vögel zu. Bei den Übungen des „Leibgebets“ strecken und öffnen sie sich nach oben und blicken in die Weiten des Himmels. Sie achten beim Gehen darauf, was direkt vor ihnen liegt und suchen beim Bücken den Kontakt zum Boden. Die Körperarbeit ist Teil des Wegs zur Stille. Sie soll helfen, eine Verbindung zu schaffen zur Erde, zur Gegenwart und „und zu dem, was größer ist als der Mensch“, sagt Pfarrerin Sonnabend. Unterbrochen werden Schweigen, Meditationen und Körperübungen mit Gottesdiensten am Morgen, am Mittag und am Abend.

Ein Ort des Gebetes und des Schweigens

Beim Spaziergang durch die Klosteranlage kommen die Ruhesuchenden an der großen Linde vor dem Äbtissinnenhaus vorbei, unter deren ausladenden Ästen Tische und Stühle stehen. Verweilende freuen sich an Rosen, Frauenmantel und Nelken, an dem Gezwitscher der Vögel und dem Summen der Bienen.

Am Abend versammeln sich die Gäste der Einkehrtage in der alten Kirche. Sie wollen den Raum erleben, erfahren, was sie anspricht und was ihnen fremd ist. In dieser Kirche, „einem Ort verdichteter Spiritualität“, so Pfarrerin Seifert, wurde schon im 30-jährigen Krieg um Frieden gebetet. Die Legende sagt, die Menschen hätten noch zwei Jahre länger gebetet, weil sie das Ende des Krieges nicht mitbekommen haben. Womöglich eine Folge des Schweigens, des Innehaltens und des Hörens auf die innere Stimme.

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Dieser Artikel erschien in der Evangelischen Sonntags-Zeitung. Ein kostenloses Themenheft der Evangelischen Sonntags-Zeitung rund um das Thema Dank können Sie hier bestellen.

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