Sportethischer Fachtag der EKD
Sport zwischen Hochfrequenz und kirchlicher Besserwisserei
istockphoto, Jacob Ammentorp Lund
22.03.2022
epd/red
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Der Sport selbst muss heute so manche Leibesübung vollführen. Zum Beispiel den Spagat zwischen Kultur und Kommerz. Das gilt nicht nur für Top-Clubs im Fußball, die um die Weltstars buhlen. Auch beim kleinen Verein spielt sich vieles zwischen treuem Ehrenamt und Würstchenpreis-Erhöhung ab. Genau darum ging es beim diesjährigen Sportethischen Fachtag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) 2022. Die Frage bei der hochrangigen Tagung in der Evangelische Akademie: Was ist der Sport uns wert?
Eintracht zwischen Werten und Hochfrequenz
Das fragt sich auch Axel Hellmann jeden Tag. Der Vorstandssprecher der Eintracht Frankfurt AG sieht seinen Verein auf der Grenze zwischen „Wertegemeinschaft und Hochfrequenzbetrieb“. So umfasse das Angebot der Eintracht über 200 Sparten vom Amateursport bis zum Profifußball. Das unter einen Hut zu bekommen sei nicht einfach. Und er bitte darum, sich ehrlich zu machen: Auch bei den kleinen Vereinen ginge es ums Geld. Tatsächlich unterhält sich ein Vereinsheim nicht von selbst. Und das ist beim Profisport erst recht kein einfaches Thema, so Hellmann.
Auf einmal ist Katar kein Bösewicht mehr
Noch vor wenigen Monaten seien Sponsoren aus Russland kein Problem gewesen. Auch da gab es nach Hellmann schon Angriffe auf Georgien, Bombardierungen in Syrien, die Besetzung der Krim. Dagegen galt Katar als Hort des Ungemachs. Doch mit der Suche nach neuen Energiequellen infolge des Ukrainekriegs sei nun plötzlich wieder der Wüstenstaat obenauf. Gegen die Vergabe der Fußball-WM 2022 nach Katar habe es bis jüngst Boykott-Überlegungen gegeben, jetzt fädele der Bundeswirtschaftsminister dort zukunftsweisende Geschäfte ein. Und Hellmann fragt: „Wer gibt die Koordinaten vor?“ Und das alles treffe auch noch auf eine internationale Konkurrenzsituation im Profisport. Eintracht habe – auch auf Druck der Fans - grundlegende Werte verinnerlicht wie etwa ein Bekenntnis zur Vielfalt. Gleichzeitig warnte er davor, den Profiverein zu einer Projektionsfläche für gesellschaftliche Werteerwartungen zu machen. Aktuell sei eine Tendenz zu spüren, die Welt in Gut und Böse zu teilen. Aber: „Die Welt ist nicht so einfach.“
Vielfalt endet bei den Sportmuffeln
Dass es mit dem Wahren, Schönen und Guten im Sport durchaus so seine Tücken hat – darauf weist bei der Tagung der Kölner Philosoph Volker Schürmann hin. Gerne werde „das hohe Lied“ der Vielfalt, Geselligkeit, Gesundheit, Gemeinschaft, Integration und des Respekts im Sport besungen. Doch was ist dann mit Sportmuffeln? Denn es gehöre ja auch zur Vielfalt, dass Menschen keinen Sport mögen. Ein spannender Gedanke des Professors von der Sporthochschule Köln, der gleich noch einen drauflegt. Dass es mit den Werten im Sport nicht weit her ist, beweise immer wieder auch das Internationale Olympische Komitee IOC. Es sei offensichtlich, dass seine „dringlichste Fürsorge nicht den Athleten gilt, sondern einem reibungslosen Geschäftsverlauf“.
Olympia geht auch ohne volle Stadien
Auch die Eventisierung des Sports ist für Schürmann eine Herausforderung. So hätten die zurückliegenden olympischen Spiele unter Pandemiebedingungen gezeigt, dass der Sport offenbar nicht nur als leibhaftiges Fest funktioniere, sondern durchaus auch als rein kommerzielles Event bestehen könne. Das Lob auf die vermeintliche Vielfalt der sportlichen Werte habe also immer ein Problem: Den Wert des Sports müsse eine Gesellschaft immer neu definieren. Deshalb bleibe es wichtig, ihn als Teil der gesellschaftlichen Kultur vor völliger Kommerzialisierung und Eventisierung zu schützen.
Wenn Sport Leben rettet
Wie wichtig Sport ist, darauf macht in einem eindrücklichen Beitrag die mehrfache Olympiasiegerin im Para-Schwimmen, Kirsten Bruhn aufmerksam. Sie bekennt: „Der Sport hat mir das Leben gerettet". Die Leistungsschwimmerin ist seit einem Verkehrsunfall im Alter von 21 Jahren querschnittgelähmt und sitzt im Rollstuhl. „Der Sport hat das aus mir herausgeholt, was noch trainierbar ist, und das andere hat er nicht zum Thema gemacht“, lobte sie. Bei den Paralympics sei die Versehrtheit der Athletinnen und Athleten in Ordnung. Auf der Straße hingegen starrten Fremde sie im Rollstuhl an. „Warum fragt man nicht, wie es mir geht, sondern: Wie ist es passiert?“, fragte sie. Die Wertschätzung, die ihr im Sport begegne, sollte in der Gesellschaft ankommen: „Ich will nicht hilfebedürftig wirken, sondern als normales Mitglied der Gesellschaft gesehen werden.“
Blick liegt zu sehr auf den Skandalen der Dachverbände
So ist es kein Wunder, dass der Leiter der Abteilung Sport im Hessischen Innenministerium, Jens-Uwe Münker, beschreibt, warum der Staat beim Sport bewusst tief in die Tasche greift. Sport sei für ihn Bildungsträger und spiele eine wichtige Rolle in der Gesundheitsvorsorge. Die sei in der Zeit der Pandemie noch einmal besonders deutlich geworden. Leider läge der öffentliche Blick zu sehr auf den Skandalen internationaler und nationaler Dachverbände im Sport. Darüber ginge die integre Arbeit der Vereine vor Ort vergessen. Denn „weit überwiegend“ werde der Sport vor Ort dem Anspruch der Wertevermittlung gerecht. Deshalb fördere der Staat ihn auch besonders. Grundlage bleibe dabei die Idee der Integrität. Der Sport müsse seinen eigenen Wertansprüchen auch gerecht werden. Er solle nach Worten Münkers gesetzkonform, menschenrechtskonform, demokratisch, manipulationsfrei und sicher bleiben.
Kirche will in Sportfragen kein Besserwisser sein
Zum Auftakt der Veranstaltung hatte der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung, der auch Sportbeauftragter der EKD ist, ethische Grundlinien skizziert. Der Sport stehe für gutes menschliches Zusammenleben und habe eine völkerverbindende und friedensstiftende Kraft. Zu dessen Förderung und Eindämmung von Missbrauch bringe die evangelische Kirche beispielsweise Fachleute miteinander ins Gespräch. Die Kirche wolle hier kein „moralischer Besserwisser“ sein, sondern eröffne ein Forum für verschiedene Ansichten. Der vierte Sportethische Fachtag der EKD stand am 22. März 2022 unter dem Motto "Zwischen Kultur und Kommerz. Was ist der Sport uns wert?! Maßgeblich organisiert wurde er vom hessen-nassauischen Stadionpfarrer Eugen Eckert und der Evangelischen Akademie Frankfurt.
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Eugen Eckert / Hanna-Lena Neuser: Zwischen Kultur und Kommerz – was ist der Sport uns wert?


Volker Jung: Zwischen Kultur und Kommerz – was ist der Sport uns wert?


Axel Hellmann: Zwischen Kultur und Kommerz – was ist der Sport uns wert?


Kirsten Bruhn: Zwischen Kultur und Kommerz – was ist der Sport uns wert?


Reinhard Brücker: Zwischen Kultur und Kommerz – was ist der Sport uns wert?

