Gerichtsprozess
Prozess im Mordfall Walter Lübcke ist gestartet
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16.06.2020
epd/red
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(epd/red). Der Prozess um den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke vor einem Jahr hat begonnen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main eröffnete am Dienstagvormittag die Hauptverhandlung gegen die beiden mutmaßlichen Täter. Die Bundesanwaltschaft hat Stephan E. (46) des Mordes angeklagt, Markus H. (44) der Beihilfe zum Mord. Stephan E. muss sich darüber hinaus im Fall eines 2016 in Lohfelden bei Kassel niedergestochenen Flüchtlings verantworten. Hier wird ihm versuchter Mord und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Das Gericht hat bis Ende Oktober 32 Verhandlungstage vorgesehen.
Vorwurf: versuchter Mord und gefährliche Körperverletzung sowie rechtsradikale Gesinnung
Die Bundesanwaltschaft wirft den beiden Angeklagten aus Nordhessen vor, aus rechtsradikaler, fremdenfeindlicher Gesinnung gehandelt zu haben. Beide haben in der Vergangenheit an rechtsextremistischen Kundgebungen und Demonstrationen teilgenommen. Stephan E. ist dabei mit Gewaltdelikten bis in die 90er Jahre bei der Justiz registriert. Lübcke soll seit einer Bürgerversammlung im Oktober 2015 in Lohfelden zur Zielscheibe fremdenfeindlichen Hasses geworden sein. Damals warb er für die Eröffnung einer Flüchtlingsunterkunft und wehrte sich gegen störende Zwischenrufe.
Kirchenpräsident und Bischof zeigten sich entsetzt über den Mord
Während seines letzten Sommergespräches hatte Dr. Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) sein Entsetzen über den Mord an Regierungspräsident Walter Lübke gezeigt. Nachrichten wie diese zerstörten das Vertrauen der Menschen in eine funktionierende Gesellschaft. Kirchenpräsident Jung äußerte betroffen: „Menschen, die allem misstrauen, sind aber gefährlich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“ Besorgt mutmaßte er, dass populistische Parteien dies nur allzu gerne ausnutzten.
Auch Prof. Dr. Martin Hein, der damalig amtierende Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen Waldeck (EKKW), äußerte sich: "Es ist ein unfassbarer Tod, der uns völlig ratlos macht." Diese Worte gehörten zu seiner Traueransprache während der offiziellen Trauerfeier am 13. Juni 2019 in der Kasseler Martinskirche. Martin Hein würdigte Lübcke als "Mann des klaren Wortes, aber auch als Mann der klaren Tat". Am deutlichsten sei dies zum Ausdruck gekommen, als 2015 in großer Zahl geflüchtete Menschen nach Deutschland kamen und Aufnahmemöglichkeiten geschaffen werden mussten. Der Bischof und der Regierungspräsident hatten beispielsweise gemeinsam drei nordhessischen Aufnahmeeinrichtungen besucht.
Das Verfahren
Der Anwalt der Familie Lübcke, Holger Matt, sagte vor Beginn der Verhandlung, die Nebenklage wolle alle Umstände der Mordtat erfahren. «Nach meiner Überzeugung handelt es sich um ein kaltblütig geplantes, heimtückisch begangenes, feiges Mordverbrechen aus übelsten Beweggründen», sagte Matt. «Wir werden als Nebenkläger alles Mögliche zur Aufklärung beitragen.» Auch der irakische Flüchtling, den E. niedergestochen haben soll, nimmt als Nebenkläger teil.
Der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel und vier weitere Richter sowie zwei Ergänzungsrichter leiten das Verfahren. Die beiden Angeklagten werden jeweils von zwei Verteidigern begleitet. Aufgrund der Corona-Pandemie ist die Zahl der freien Plätze im Saal stark beschränkt. Im Verhandlungssaal gibt es 18 Plätze für die Öffentlichkeit und 19 auf der Empore für Journalisten.
Die mutmaßliche Tat
Stephan E. wurde zwei Wochen nach dem Mord an Lübcke festgenommen, der Fund von Hautteilen mit seiner DNA auf der Kleidung des Toten überführte ihn. Zunächst gestand er, Lübcke erschossen zu haben und führte die Polizisten zu einem Waffenversteck mit acht Schusswaffen, einschließlich der Mordwaffe. Er belastete Markus H. Nach dem Wechsel seines Rechtsanwalts widerrief er das Geständnis und beschuldigte Markus H., bei der Tat dabei gewesen zu sein und mit E.s Waffe versehentlich einen Schuss auf den Regierungspräsidenten abgegeben zu haben. Im Zuge der Hausdurchsuchung bei E. fand die Polizei ein Messer mit DNA-Spuren des 2016 niedergestochenen Flüchtlings.
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