Tipps, wie man Stress im Job vermeidet
Von Jakob Dettmar
Alle zwei Minuten eine neue Mail, Besprechungen am laufenden Band und dann ruft auch noch der Chef an: Manchmal ist der Beruf so stressig, dass man gar nicht zur eigentlichen Arbeit kommt. Sechs Tipps, wie man gelassen auf die Herausforderungen reagiert.
Den ganzen Tag im Stress und trotzdem das Gefühl: Ich habe nicht das geschafft, von dem, was ich mir vorgenommen habe. Handy, E-Mail, soziale Medien und die Cloud machen die Arbeitswelt schneller, eigentlich ein Vorteil. Aber nicht immer. „Ein Text, der früher über Tage per Fax und Brief hin- und hergereicht wurde, muss jetzt in Reaktionszeiten von zwanzig Minuten bearbeitet werden,“ erklärt Gerd Bauz. Er leitet das Institut für Personalberatung, Organisationsentwicklung und Supervision (IPOS) der EKHN. Zu ihm nach Friedberg kommen beide Seiten, wenn sie Probleme haben: Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Dabei sind die Branchen unterschiedlich, sie kommen beispielsweise aus Kirche und freier Wirtschaft.
Weniger Personal, trotzdem soll alles schneller gehen
Aber das Personal wird immer stärker ausgedünnt. Wenn dann auch noch die Erwartungshaltung steige, werde es unangenehm, so Bauz: „Wenn mir jemand morgens eine E-Mail sendet und erwartet, dass ich noch am selben Vormittag reagiere, dann führt das natürlich zu Stress - ich hab ja auch noch andere Dinge zu tun“. Dann ist Multitasking angesagt: Schnell noch die Rechnung schreiben, zwischendrin nach den Mails schauen und mit dem Kollegen telefonieren. Bei all dem Durcheinander passiere es schnell, dass man denkt: „Moment, wo war ich denn?“ Wenn eine Aufgabe unterbrochen wird, muss die Konzentration ganz neu aufgebaut werden. Das kostet Kraft und Nerven. „Auch Frauen können Multitasking nicht wirklich“, scherzt Bauz und meint: Für manche Aufgaben brauche man(n) und frau Ruhe – schwierig, wenn das Telefon klingelt und neue Mails auf dem Bildschirm aufblinken.
Alles eine Frage des Typs
Für manche aber ist das schnelle Hin und Her herausfordernd. Diese Charaktere sind in ihrem Element, wenn sie viele Aufgaben gleichzeitig bewältigen sollen. Andere wieder kommen aus dem Tritt. Es sei also ein „Typenfrage“, über die man mit seinen Kollegen reden sollte, sagt Bauz. Wie gehe ich selbst, wie geht der Kollege die Arbeit an? „Damit wird man sich über über die eigene Arbeitsweise klarer, und kann dadurch auch den anderen entdecken“. Genauso wichtig: in sich hineinhorchen. „Jeder, der ein Unbehagen spürt, könnte etwas ändern“. Wichtig ist dann zu fragen: Weiß ich, welche Methoden es gibt, den Arbeitsalltag zu ent-stressen? Leuchten die mir ein? Und will ich es ausprobieren? Das ist, laut Bauz, wie mit dem Rauchen aufzuhören: „Als ich gesagt habe, jetzt reicht’s, war es im Grunde relativ einfach.“
Die Haltung: Nicht nur die Leistung zählt
Aber nicht nur der Typ, auch die Haltung macht einen Unterschied: Wie stark möchte ich mich dem Leistungsdruck beugen? Gerd Bauz meint, Gelassenheit und Selbstakzeptanz sei wichtiger, als immer nur an Erfolg zu denken. Das erklärt er mit dem evangelischen Glauben: „Laut Bibel ist uns von Gott zugesagt, dass wir keine Leistung zeigen müssen, um als Mensch wertvoll zu sein“. Gott liebe jeden Menschen bedingungslos: „Das dürfen wir auch leben. Es gilt, uns diese Zusage immer bewusst zu machen“.
Tipp 1: Schnelle Kommunikation nutzen
Der erste, einfache Tipp: Die schnelle Kommunikation mit ihren eigenen Waffen schlagen. „Es ist ein großer Vorteil der neuen Medien, sich schneller auszutauschen und präziser nachfragen zu können. Man kann so eine Sache in zwei Tagen vom Tisch haben“ – und damit auch aus dem Kopf. Und nicht bei alle Aufgaben und Informationen ist es sinnvoll, sie selbst zu erledigen - ruhig auch mal delegieren.
Tipp 2: Die Woche planen
Kurz bevor man sich am Freitag nach Hause aufs Sofa und ins Wochenende stürzt, sollte man sich doch noch eine halbe Stunde nehmen: Welche Aufgaben muss ich nächste Woche erledigen? Welche Telefonate führen? Welche Termine stehen an? Und vor allem: Wann will ich das alles tun? Dann am besten Gleiches zu Gleichem: Zum Beispiel montags alle Telefonate hintereinander führen, dann ist am Dienstag Ruhe zum arbeiten da - und das Telefon stört nicht die ganze Zeit.
Tipp 3: E-Mail-Zeiten
Auch wenn das Gefühl oft entsteht: „In 95 Prozent der Fälle muss man nicht direkt auf eine Mail reagieren“, sagt Bauz. Besser: Sich einen festen Rhythmus geben - Mails checken ist zum Beispiel nur morgens, nach der Mittagspause und vor dem Feierabend dran. Das Aufblinken für neue Mails sollte am besten ausgeschaltet sein, so erliegt man der Versuchung nicht mehr. Während der Mail-Zeiten dann nach dem Subito-Prinzip arbeiten: Was sich sofort erledigen lässt, lieber nicht aufschieben. „Das halte ich für ein cleveres Prinzip, kleine Aufgaben sofort zu bearbeiten und die Sachen vom Tisch zu haben“. Nach Bauz kann man die Mails grob in drei Kategorien einteilen: ein Drittel kann sofort in den Papierkorb, das zweite Drittel verlangt nur eine kurze Antwort und ein letztes Drittel muss richtig bearbeitet werden. Diese Mails lassen sich einfach wie Aufgaben in den Tagesplan einplanen.
Tipp 4: Vertretung organisieren
Wenn man Ruhe braucht, einfach mal einen Kollegen bitten: Kannst du nicht für eine Stunde Telefon, E-Mail und Handy übernehmen? Der Kopf ist frei für wichtige Aufgaben und trotzdem muss man sich keine Sorgen machen, dass dringende Anfragen untergehen. „Ich schütze mich in dieser Zeit“, sagt Bauz. „Dann bin ich eben 60 Minuten nicht erreichbar“.
Tipp 5: Absprachen
„Man kann solche Dinge nicht allein verändern“, sagt Bauz. „So etwas geht nur, wenn ich es abspreche“. Erste Adresse: Die Kollegen. Wenn das Gegenüber weiß, dass man langsamer treten will, ist das Verständnis vermutlich größer. Manchmal muss ausgehandelt werden: Wie willst du das machen? Wenn die Typen unterschiedlich sind, sollte die jeweiligen Stärken ausgespielt werden. Noch dazu kommt: „Wenn sechs Leute in einer Abteilung sagen, wir wollen das jetzt mal ein bisschen ruhiger machen, dann wird es ihnen leichter fallen, in einer Dienstbesprechung den Chef zu überzeugen“. Der Mensch braucht einen Rhythmus von Arbeit und Entspannung, nur dann kann er auch leistungsfähig und innovativ sein. Bauz kann da nur Mut machen: „Das überzeugt letztlich Chefs. Die stehen zwar unter Druck und wollen alles immer sofort, aber sie denken auch - wenn man sie darauf hinweist - an morgen“. Im Zweifelsfall kann auch die Berufsgenossenschaft, Krankenkasse oder Rentenversicherung mit Hilfe zur Seite stehen, denn diese müssen für die Folgen des Stress zahlen – und zu viel Stress macht krank. Und auch die Wissenschaft kann helfen: Bauz empfiehlt die „Initiative Neue Qualität der Arbeit“. Hier gibt es verschiedenste Broschüre zum Thema, die Bestellung ist sogar kostenlos. „Die kann man dann dem Chef auf den Tisch legen und sagen: Ich habe mich informiert, schau mal, das sind heute die Erkentnisse der modernen Arbeitswissenschaft“.
Tipp 6: Bewegung
Der Diplom-Pädagoge und Institutsleiter hat noch einen ganz einfachen und bodenständigen Tipp parat: „Wenn ich merke, es wir mir zu stressig, ziehe ich meine Jacke an und gehe spazieren. Da bin ich eine Viertelstunde ein bisschen woanders, und dann geht’s auch wieder weiter.“ Das ist der Lieblings-Tipp von Gerd Bauz. Letztlich müsse jeder seinen Rhythmus finden. Grundsätzlich sei Arbeiten allerdings wie Autofahren: „Leg den fünften Gang ein, dann fährst du ruhiger. Und schalte früher hoch!