Kirchenpräsident Jung spricht in seinem Bericht zur Lage vor der Synode über Feiertagskultur, Flughafen und mehr
„Mehr öffentliche Theologie“
26.04.2012
krebs
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Jung bezog dieses biblische Wort am Donnerstag in Frankfurt auf aktuelle Themen: die Debatten um den Karfreitag und den Flughafen, außerdem auf die weltweit wachsende Bewegung der charismatischen Christen und die Musik.
Konkreter Glaube: „Jeder muss für sich herausfinden, was der Sinn des Lebens ist“
Jung beklagte, dass Religiosität sich heute weithin nur noch auf eine unkonkrete Gottesvorstellung beziehe. Demgegenüber sei der christliche Glaube ein „kräftiger Kontrapunkt, weil es hier um einen sehr konkreten Ort der Gotteserkenntnis, verbunden mit einer sehr konkreten Person: Jesus Christus“ gehe, sagte Jung. Natürlich müsse jede und jeder für sich herausfinden, was der Sinn des Lebens ist. „Wir erheben als Kirche aber nicht den Anspruch, einzelne Menschen bestimmen zu wollen. „Wir wünschen uns gerade Menschen, die selbstbewusst, aktiv und kritisch ihre Kirche mit gestalten.“ betonte Jung.
Karfreitag: „Es geht um unsere Feiertagskultur“
Jung sprach sich dafür aus, den Karfreitag als Feiertag zu erhalten. Er bezeichnete ihn als „Gewinn - auch für eine plurale Gesellschaft“, da er Themen rund um Leiden, Sterben und Tod Raum und Zeit gebe, aber auch von einer Hoffnung erfüllt sei. Der Karfreitag als Todestag von Jesus Christus am Kreuz stehe für die „Erfahrung, dass nach wie vor Menschen unschuldig zu Opfern von Gewalt und todbringender Macht werden“. Am Kreuz werde erkennbar, „dass Gottes Sohn und damit Gott selbst das Unerträgliche erträgt“. Mit dem Leiden am Kreuz werde Gott selbst zum Opfer und trete auf die Seite der Opfer. „Zugleich eröffnet das Kreuz eine Hoffnungsperspektive für Täter und Opfer, weil Gott dem Tod in der Auferstehung seines Sohnes nicht das letzte Wort lässt.“, sagte Jung wörtlich. Diese Hoffnungsperspektive könne Menschen helfen, „eigenes Leiden zu ertragen und allem entgegenzutreten, was Menschen zu Opfern macht“. Dass der Karfreitag in Deutschland ein arbeitsfreier Feiertag sei, bezeichnete Jung als ein starkes Zeichen für sein besonderes Gewicht in der Feiertagskultur. Dafür sei es auch angemessen, ihn als stillen Tag besonders zu gestalten. „Dabei geht es nicht um den Einfluss oder die Macht der Kirchen, es geht auch nicht um religiöse Bevormundung, sondern um unsere Feiertagskultur.“, betonte Jung. „Feiertage vertiefen das Leben und tun deshalb allen gut.“ Religiös geprägte Feiertage böten allen wesentlichen Lebensthemen Raum. Christinnen und Christen sieht Jung als Bürgerinnen und Bürger herausgefordert, den Sinn der Feiertage herauszustellen. Dies habe die EKHN mit ihrer Plakataktion zum Karfreitag getan. Die EKHN hatte in der Karwoche mit Bannern an 61 Kirchen und auf 131 Litfasssäulen auf die Bedeutung des Karfreitags aufmerksam gemacht und damit große öffentliche Aufmerksamkeit erregt (www.karfreitag.de)
Flughafendebatte: „Grenzen erkennen und anerkennen“
Jung bezog das Kreuz als Ausgangspunkt seines Berichts auch auf die Debatte um den Frankfurter Flughafen. Er berichtete, dass er sich intensiv mit Betroffenen aller Seiten ausgetauscht habe. Einige Kirchengemeinden fühlten sich durch den Fluglärm in ihrer ungestörten Religionsausübung eingeschränkt, denn der Lärm der Flugzeuge behindere die gottesdienstliche und seelsorgliche Arbeit erheblich. Die Kirchenleitung sei gebeten worden, mit Blick auf Artikel 4 Absatz 2 des Grundgesetzes, nach dem die ungestörte Religionsausübung gewährleistet wird, zu klagen. Die Kirchenleitung habe das Kirchenrechtliche Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland in Göttingen beauftragt, ein Gutachten zu erstellen. Es solle im Herbst vorliegen.
Jung stellte eine Reihe von Forderungen auf, um die Situation der Betroffenen zu verbessern. Dazu zählten ein Nachtflugverbot in der Zeit von 22 bis 6 Uhr. Maßnahmen zur Reduzierung des Fluglärms aus dem Anti-Lärm-Pakt müssten konsequent, schneller und angepasst an neueste wissenschaftliche Erkenntnisse umgesetzt werden. Dazu zählten Lärm mindernde An- und Abflugverfahren, Schalldämmung von Häusern und Wohnungen und besondere Maßnahmen für Krankenhäuser, Altenheime, Schulen, Kindertagesstätten. Dringend erforderlich sei es, am Tag Lärmobergrenzen und höhere Überflughöhen festzulegen und in einem neu zu fassenden Lärmschutzkonzept für den Flughafen Frankfurt zu verankern. Auch ein bundesweites nachhaltiges Luftfahrtkonzept sollte diskutiert und erarbeitet werden.
Aus dem Wort vom Kreuz Christi entwickelte Jung weitere Folgerungen: „Es ist dringend erforderlich, viel stärker als bisher, im Zusammenhang mit der Flughafenthematik die Fragen des eigenen Lebensstils und insbesondere des eigenen Mobilitätsverhaltens zu thematisieren. Das Kreuz stellt eben auch die unangenehme Frage, wo wir selbst Teil dessen sind, was Menschen zu Opfern macht.“ Das Kreuz stelle bestimmte ökonomische Grundannahmen infrage. So sei es „hochproblematisch, auf permanente Expansion zu setzen“. Das zeige der Ausbau des Flughafens, dessen Folgen erst am Anfang stünden. „Es ist um der Menschen und dieser Welt willen nötig, Grenzen zu erkennen und anzuerkennen. Es wäre gut, wenn uns das Kreuz Christi dabei zur Gotteskraft wird, notwendige Veränderungen vorzunehmen, die dem Wohl der Menschen und dem schonenden Umgang mit den uns anvertrauten Ressourcen Vorrang einräumt.“ sagte Jung.
Afrikanische Partnerkirchen: „Das Land aus der Kraft ihres Glaubens mit gestalten“
Jung berichtete von einer Konsultation im Tansanischen Arusha, bei der er im Oktober mit Spitzenvertretern der afrikanischen Partnerkirchen in Ghana, Tansania und Südafrika zusammen gekommen war. Das Treffen diente dem Austausch über die charismatische Bewegung, der weltweit bereits 25 Prozent der Christen angehörten. Ihre Zahl werde in den nächsten 20 Jahren auf über 50 Prozent ansteigen, sagen Prognosen. Diese Bewegung, konzentriere ihre Theologie stark auf das Wirken des Heiligen Geistes. Sie stamme ursprünglich aus den USA, habe dort aber Elemente afrikanischer Spiritualität aufgenommen, die nun nicht nur nach Afrika zurückkehrten, sondern in alle christlichen Länder vordringe. „Uns Europäern liegt diese oft sehr emotional ansetzende Spiritualität nicht so sehr“, gab Jung zu und berichtete, dass sich die Partnerkirche in Ghana der charismatischen Bewegung sehr weit geöffnet habe. Sie finde darin „Impulse für die lebendige Gestaltung der Gottesdienste, für das intensivere Beten, für eine mitreißende moderne, geistliche Musik und auch – für uns sehr befremdlich – für die Durchführung von Dämonenaustreibungen und Heilungen“. Demgegenüber führe die Partnerkirche in Tansania mit ihren Gesundheitsprogrammen, ihren Schulen und ihrer tiefen Frömmigkeit Gottes kraftvolles Wirken vor Augen. „Die Christinnen und Christen in Tansania wollen ihr Land aus der Kraft ihres Glaubens mit gestalten. Das müssen wir auch tun“, rief Jung den Synodalen zu. Für einen überzeugend gelebten Glauben seien „Gottesdienste in der Spannung von Emotionalität und Reflexion“, das „diakonische und das sozial- und bildungspolitische Engagement“ wesentlich.
Kirchenmusik: „Anstrengen, um den musikalischen Dienst zu sichern“
Jung stellte in seinem Bericht die Bedeutung der Kirchenmusik für den Glauben und die Kirche heraus: „Die Kirchenmusik ist ein großer Schatz unserer Kirche.“ Sie erreiche auch viele Menschen, die selten in Gottesdienste gingen. Musik – ältere und neue gleichermaßen – spreche viele Menschen direkt verständlich und passend für die heutige Zeit an. Jung verwies auf das Jahr der Kirchenmusik, das alle evangelischen Kirchen in Deutschland derzeit feierten. Es genieße eine hohe mediale Aufmerksamkeit. Als Herausforderung für die Kirchenmusik bezeichnete Jung die Nachwuchsförderung. Vielerorts fehlten Organistinnen und Organisten. „Wir müssen uns sehr anstrengen, um den kirchenmusikalischen Dienst für die kommenden Jahrzehnte zu sichern“, versprach Jung.
Einmischen in die Gesellschaft: „Mehr öffentliche Theologie“
Am Ende seines Berichts forderte Jung „mehr öffentliche Theologie“. Öffentliche Theologie nehme die Lebenssituation der Menschen wahr und ernst: „Sie spricht die Sprache dieser Welt und ist im biblischen Zeugnis begründet. Sie vereint die Alltagspragmatik und Prophetie miteinander und scheut deshalb die Debatten und auch den Widerspruch nicht. Öffentliche Theologie ist in einer demokratischen Zivilgesellschaft nötig, weil sie Menschen Orientierung gibt, wie die Gesellschaft auf gute Weise weiterentwickelt werden kann.“ Es gehe darum, das Wort vom Kreuz, das Evangelium, so weiterzusagen, dass Menschen durch die Lebens deutende Kraft bewegt werden, sich und ihr Leben von Gottes Liebe her zu deuten und zu gestalten. Das Wort vom Kreuz sei allerdings „keine leicht eingängige Botschaft“. Es sei anstößig, „weil es zwingt, der Härte und dem Schmerz des Lebens bis in die tiefsten Abgründe hinein nicht auszuweichen“. Sie stelle die Menschen, die auf sie hören, immer wieder infrage und rufe zur Umkehr. Zugleich eröffne sie in dem Gekreuzigten, der Leiden und Tod überwindet, Halt, Orientierung und Hoffnung.
Verantwortlich: gez. Pfarrer Stephan Krebs, Pressesprecher
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