Evangelische Kirche in Hessen und Nassau
Kreuz mit violettem Band

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Im Dienst der Kirche

Ehemalige Kirchenpräsidenten prägten die EKHN

veröffentlicht 06.03.2024

von Online-Redaktion

Mit ihrer Persönlichkeit haben die Kirchenpräsidenten der EKHN auf ihre einzigartige Weise Kirche und Gesellschaft miteinander in Bezug gesetzt.

Martin Niemöller

Martin Niemöller

© Zentralarchiv d. EKHN

1947 wurde Martin Niemöller zum ersten Kirchenpräsidenten der EKHN gewählt

Evangelischer Theologe, erster Kirchenpräsident der EKHN

* 14.1.1892 Lippstadt   † 6.3.1984 Wiesbaden

Martin Niemöller war von 1947 bis 1964 Kirchenpräsident der hessen-nassauischen Kirche und prägte sie mit seiner Persönlichkeit maßgeblich. Er gilt zudem als einer der profiliertesten kirchlichen Gegner der Naziherrschaft in Deutschland und überlebte einen achtjährigen Aufenthalt im Konzentrationslager. Nach der Gründung der Bundesrepublik protestierte der frühere U-Boot-Kommandant vehement gegen die Wiederbewaffnung des Landes und begleitete die politische Entwicklung Deutschlands bis zu seinem Tod 1984 immer wieder kritisch. Martin Niemöller stellte sein Handeln dabei stets unter die vielfach bekannt gewordene Leitfrage „Was würde Jesus dazu sagen?“.

Niemöllers berufliche Laufbahn

Zunächst hatte Martin Niemöller die Seeoffizierslaufbahn eingeschlagen, zuletzt war er als U-Boot-Kommandant (bis 1919) tätig. Nach dem Theologiestudium in Münster arbeitete Niemöller dort in der Inneren Mission.
Als Gemeindepfarrer in Berlin-Dahlem seit 1933 in führender Rolle für die "Bekennende Kirche" tätig, wurde er 1937 verhaftet und später als persönlicher Gefangener Hitlers in die KZs Sachsenhausen und Dachau verbracht.
Nach der Befreiung durch die Amerikaner kam Martin Niemöller nach Hessen, wurde 1945 zum stellvertretenden Ratsvorsitzenden der EKiD (bis 1949) und Leiter des kirchlichen Außenamts der EKiD (bis 1956) mit Sitz anfänglich in Isenburg, später in Frankfurt. 1946 fand Niemöller Aufnahme in den nassau-hessischen Landesbruderrat und beeinflusste die Gestaltung der EKHN grundlegend. Martin Niemöller wurde 1947 in Friedberg/Hessen zum Kirchenpräsidenten (Wiederwahlen 1950 und 1958) gewählt. Er wirkte maßgeblich bei der Entstehung der Stuttgarter Schulderklärung 1945 und des Darmstädter Worts 1947 mit. Schwerpunkt seiner Arbeit war u.a. die konsequente Verständigung mit den ehemaligen Kriegsgegnern Deutschlands in West und Ost; so reiste Martin Niemöller unter anderem im Januar 1952 nach Moskau.

Die historische Forschung betrachtet Niemöller auch kritisch. So habe er die Gräueltaten der Nazidiktatur gegenüber Jüdinnen und Juden erst spät thematisiert und in seinem früheren Wirken sogar antisemitische Gruppierungen unterstützt. Zudem durchziehe das Leben des gebürtigen Preußen teilweise auch eine antidemokratische Haltung. 

Nach Zusammenführung der verschiedenen Dienststellen der Kirchenverwaltung wurde Darmstadt Martin Niemöllers Dienstsitz; er blieb jedoch in Wiesbaden wohnen, während sein Stellvertreter 1952-1957 Bernhard Knell in Darmstadt lebte. 1962 bis 1968 fungierte Niemöller als einer der Präsidenten des Ökumenischen Rates. 1964 schied er als Kirchenpräsident aus dem Amt, sein Nachfolger wurde sein Stellvertreter (seit 1957) Wolfgang Sucker.

Aus seiner Grundüberzeugung zur Bewahrung der Schöpfung engagierte Martin Niemöller sich bei Ostermärschen gegen die Atomrüstung und in der Friedensbewegung. Er war Träger zahlreicher Orden und Ehrendoktorate, u.a. des Lenin-Ordens und des Bundesverdienstkreuzes am Bande.

Autoren:

  • Volker Rahn
  • Holger Bogs, Artikel für Stadtlexikon Darmstadt
    Lit.: Protestant: das Jahrhundert des Pastors Martin Niemöller, hrsg. v. Hannes Karnick und Wolfgang Richter im Auftrag der EKHN, Frankfurt a.M. 1992.

Wolfgang Sucker

Wolfgang Sucker

© Zentralarchiv d. EKHN

Die Synode der EKHN wählte Wolfgang Sucker 1964 zum Kirchenpräsidenten

Evangelischer Theologe, zweiter Kirchenpräsident der EKHN

* 21.8.1905 Liegnitz    † 30.12.1968 Darmstadt

Wolfgang Sucker wuchs in Beuthen und Berlin auf, studierte Theologie in Berlin, Greifswald und Gießen, legte das 1. Theol. Examen in Friedberg ab. Theologisch orientierte sich Wolfgang Sucker an Karl Barth und Leopold Cordier. Nach Pfarrassistententätigkeit in Offenbach wurde Sucker 1933 Studentenpfarrer in Gießen, schloss sich als solcher der SA an, für kurze Zeit auch der Glaubensbewegung Deutsche Christen (Austritt noch 1933). 1935 übernahm Wolfgang Sucker die Dozentur für evangelische Religionslehre und Methodik des Religionsunterrichts an der staatlichen Hochschule für Lehrerbildung in Lauenburg in Pommern und trat 1937 der NSDAP bei. Seit 1936 im Zentralvorstand des Ev. Bundes arbeitete er später im Ev. Presseverband mit Jochen Klepper und Kurt Ihlenfeld zusammen. Im Krieg war er Unteroffizier (zuletzt Feldwebel). 1945 wandte sich Sucker nach Darmstadt, woher seine Frau stammte, und übernahm den Pfarrdienst in Weiterstadt. 1946 wurde Wolfgang Sucker Leiter des Katechetischen Amtes für Starkenburg und 1947 zum Vorsitzenden des Ev. Bundes für Hessen und Nassau gewählt. Auf seine Initiative wurde das Konfessionskundliche Institut in Bensheim gegründet, dessen Leiter er 1949 wurde („phänomenologische Bestandsaufnahme des Katholizismus“). 1950 von der Synode in die Kirchenleitung der EKHN berufen wurde S. 1957 Vizepräsident des Ev. Bundes und wenig später als Nachfolger Bernhard Knells zum Stellvertretenden Kirchenpräsidenten gewählt. Nach dem theologischen Ehrendoktorat der Universität Marburg 1955 folgte 1960 eine Honorarprofessur für Kirchenkunde in Mainz. 1963 wurde Sucker Präsident des Ev. Bundes. 1964 wählte ihn die Synode der EKHN zum Kirchenpräsidenten und Nachfolger Martin Niemöllers. Sein Stellvertreter wurde Karl Herbert (1907-1995). Wolfgang Sucker starb sehr überraschend Ende 1968. Seine Arbeitsschwerpunkte waren der ökumenische Dialog mit dem Katholizismus und die christliche Bildung. Sein Nachfolger im Amt des Kirchenpräsidenten wurde Helmut Hild.

Lit.: Bornkamm, Heinrich und Helmut Hild: In memoriam Wolfgang Sucker. In: Im Lichte der Reformation (Jahrbuch des Evangelischen Bundes XIII), Göttingen 1970, S. 5-18;

Fleischmann-Bisten, Walter: „...endlich den ökumenischen Charakter der Reformation begreifen“. Das Vermächtnis Wolfgang Suckers (1905-1968). In: Evangelische Orientierung 3/2005 (o.S.)

Holger Bogs, Artikel für Stadtlexikon Darmstadt – vgl. auch: Holger Bogs/Walter Fleischmann-Bisten (Hg.): Erziehung zum Dialog. Weg und Wirkung Wolfgang Suckers (= Bensheimer Hefte 105), Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen, 2006.

Helmut Hild

Helmut Hild

© EKHN

Helmut Hild war seit 1969 Kirchenpräsident der EKHN

Evangelischer Theologe, dritter Kirchenpräsident der EKHN

* 23.5.1921 Weinbach/Oberlahnkreis   † 11.9.1999 Darmstadt

Geprägt durch seine Erfahrungen als christlicher Offizier in Polen und an der Ostfront (zuletzt Oberleutnant) nahm Hild 1946 das Studium der Theologie in Marburg auf und empfing dort starke Impulse aus der Auseinandersetzung mit Bultmann und Tillich. Nach Pfarrdienst in Westerburg im Westerwald und Frankfurt-Unterliederbach wurde Helmut Hild 1960 erster hauptamtlicher Öffentlichkeitspfarrer der EKHN und 1964 Vorsitzender des Frankfurter Evangelischen Gemeindeverbandes sowie Pfarrer an der Luthergemeinde Dek. Bornheim. Hild wurde 1969 zum Kirchenpräsidenten der EKHN gewählt (1976 wiedergewählt) und 1973 zum stv. Ratsvorsitzenden der EKD (1979 wiedergewählt, bis 1985). Als Anerkennung seiner Verdienste für die Aussöhnungsarbeit besonders mit Polen erhielt H. 1974 das Ehrendoktorat der Christlich-theologischen Akademie Warschau. H. war u.a. Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern, der Ehrenplakette der Stadt Frankfurt und des Hessischen Verdienstordens. Neben der Versöhnungsarbeit v.a. mit Polen war Schwerpunkt seiner Arbeit die Öffnung der Kirche für die „gesellschafts-diakonische“ Verantwortung, aus deren Verständnis heraus Helmut Hild forderte: „Politik muss dem Menschen dienen.“ Helmut Hild forderte den Aufschub des Ausbaus der Startbahn West und nahm gegen die Nachrüstung Stellung. Im Zentrum seines Denken stand unverrückbar der kirchliche Auftrag zur Verkündigung. Mit Helmut Spengler (* 1931) wurde 1985 Helmut Hilds langjähriger Stellvertreter (seit 1976) sein Nachfolger als Kirchenpräsident der EKHN. Das Gebäude, in dem das Zentralarchiv und die Zentralbibliothek der EKHN untergebracht sind, trägt seinen Namen.

Holger Bogs, Artikel für Stadtlexikon Darmstadt

Lit.: Helmut Hild – Die Wahrheit trennt nicht. ... Hrsg. v. Otto Rudolf Kissel, Präses der Kirchensynode in Verbindung mit der Kirchenleitung der EKHN, Darmstadt 1985.

Dr. Helmut Spengler

Helmut Spengler

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Helmut Spengler wurde 1984 zum Kirchenpräsidenten der EKHN gewählt

Evangelischer Theologe, vierter Kirchenpräsident der EKHN

* 19.4.1931 Wetzlar

Helmut Spengler wurde am 19. April 1931 in Wetzlar geboren. Er studierte in Marburg und Bielefeld-Bethel, absolvierte ab 1956 sein Vikariat (zweite, praktische Ausbildungsphase) in Wiesbaden. Anschließend wurde er Pfarrer in Breidenstein bei Biedenkopf, später in Bad Homburg. Ab 1972 war er Stellvertreter des Kirchenpräsidenten, bis er schließlich am 3. Dezember 1984 zum Kirchenpräsidenten gewählt wurde und es bis zum Eintritt in den Ruhestand im Jahr 1993 blieb. Als Kirchenpräsident hatte er das Programm der „einladenden Gemeinde“ entwickelt. Damit wollte er die Gemeinden ermuntern, sich stärker für die Wünsche und Sorgen derer zu öffnen, die in den Gemeinden bislang am Rande standen.

In Spenglers Amtszeit war auch der Grundartikel der EKHN geändert worden. Nach langer theologischer Debatte fügte die Synode einen Passus hinzu, dass das Bekenntnis zu Jesus Christus auch das Zeugnis von der bleibenden Erwählung der Juden als Volk Gottes einschließt. Diese Entscheidung hatte Spengler als Signal für eine jüdisch-christliche Aussöhnung besonders am Herzen gelegen.

Autor: Stephan Krebs

Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Steinacker

Peter Steinacker

© epd

Von 1993 bis 2008 amtierte der Honorarprofessor Peter Steinacker als Kirchenpräsident der EKHN

Evangelischer Theologe, fünfter Kirchenpräsident der EKHN

* 12.12.1943 in Frankfurt am Main  † 14.4.2015 in Frankfurt am Main

Peter Steinacker ging in Frankfurt am Main zur Schule, legte die Reifeprüfung ab und begann mit dem Studium der Evangelischen Theologie und der Philosophie, das er in Tübingen und Marburg fortsetzte. In Marburg promovierte er über das "Verhältnis der Philosophie Ernst Blochs zur Mystik" und übernahm eine Assistentenstelle an der dortigen Theologischen Fakultät. 1975 wechselte er als Assistent an die Gesamthochschule Wuppertal, wo er in den Fächern Altes Testament und Systematische Theologie mitarbeitete. 1980 habilitierte er sich, wiederum in Marburg, mit einer Arbeit über die "Kennzeichen der Kirche". Er wurde in der Rheinischen Kirche ordiniert und 1985 Gemeindepfarrer in Wuppertal.

In jener Zeit arbeitete Steinacker in der "Perspektivkommission" der EKHN mit. Außerdem publizierte er regelmäßig in wissenschaftlichen Zeitschriften. Während seiner Amtszeit als Kirchenpräsident war er auch als Honorarprofessor für Systematische Theologie an der Universität Marburg tätig.

Seit 1993 amtierte Steinacker als Kirchenpräsident der EKHN. Steinackers Amtszeit war geprägt vom Ringen um die künftige Gestalt der Kirche. Die EKHN stellt sich mit mehreren Reformprojekten auf die fortschreitende Säkularisierung und den demografischen Wandel ein. Weitere große Themen sind die Auseinandersetzung mit dem Terrorismus sowie der Dialog mit dem Islam. Steinacker förderte intensiv den Dialog der Kirche mit anderen gesellschaftlichen Kräften. In seiner reichen Vortragstätigkeit widmete er sich vor allem theologischen und ethischen Grundsatzfragen, u.a. zu kirchlich-gemeindlichen, zu wirtschaftlichen und sozialen, zu familienethischen sowie zu Fragen der Bildung und der gesellschaftlichen und politischen Kultur.

Zum 31.12.2008 trat Steinacker in den Ruhestand. Er ging jedoch weiter seiner Lehrtätigkeit an der Universität Marburg nach und hatte einen Lehrauftrag an der Universität Frankfurt angenommen.  Er starb am Abend des 14. April 2015 in Frankfurt nach schwerer Krankheit im Alter von 71 Jahren.

Auszeichnungen: Ehrendoktor der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt/Main für seine Verdienste um die wissenschaftliche Theologie.

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