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Großmutter mit Enkelin

© gettyimages, aldomurillo

Alt zu werden wird in der Bibel als ein Segen bezeichnet - Erfahrungen wurden an die nächste Generation weitergegeben
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Altern in der Bibel

veröffentlicht 10.07.2023

von Janine Knoop-Bauer

Laut Studien ist heute der Großteil der älteren Menschen in Deutschland zufrieden. Andere Seniorinnen und Senioren erleben Altersdiskriminierung. Wie haben Menschen das Alter zu biblischen Zeiten erlebt?

Biblische Aussagen über das Alter sind so vielfältig wie das Alter und ältere Menschen selbst. Alt zu werden wird in der Bibel als ein Segen bezeichnet, denn die Kinder- und Säuglingssterblichkeit war sehr hoch. Auch in den biblischen Geschichten sterben die einen alt und lebenssatt, die anderen viel zu früh. Manche Texte beschreiben die Mühsal des Alters, andere die schönen Seiten. Auffällig ist, dass besonders von alten Frauen in den biblischen Geschichten wohlwollender und wertschätzender erzählt wird als in der griechischen Kunst und nichtbiblischen Literatur der Zeit.

Biblisches Lebensalter

In der Urgeschichte, die auf den ersten Seiten der Bibel vom Anfang der Welt erzählt, ist dem Leben der Menschen kaum eine Grenze gesetzt. Adam wurde 960 Jahre alt. Methusalem, der älteste Mensch der Bibel, starb erst 969 (1. Mose 5). Nach dieser Erzählung begrenzte Gott selbst noch vor der Sintflut das menschliche Leben auf 120 Jahre mit der Begründung: »Mein Geist soll nicht immerdar im Menschen walten, denn auch der Mensch ist Fleisch.« (1. Mose 6,3) Abraham, Sarah, Ismael, Isaak und die anderen Figuren der Väter- und Müttergeschichte erreichten hohe Lebensalter im Rahmen dieser Spanne. Sarah wird noch als alte Frau schwanger und gebiert den lang ersehnten Sohn.

In Psalm 90 wird eine Lebensspanne genannt, die am ehesten unseren Erfahrungen heute entspricht: »Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn's hoch kommt, so sind's achtzig Jahre.« (Psalm 90,10) Diese Altersangaben prägten die Redewendung vom biblischen Alter.

Fürsorge und Pflege

In der israelitischen Gesellschaft gab es keine Fürsorgeeinrichtungen für Alte. Die Pflege der Alten war Aufgabe der Familien. Darum schärft das vierte der zehn Gebote ein: »Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.« Gemeint sind die gebrechlich gewordenen Eltern. Das Gebot ist mit einer Verheißung verknüpft: »Auf dass du lang lebest.«

Über aller Vielfalt der Aussagen über das Alter steht das Versprechen Gottes, Menschen in allen Phasen des Lebens zu begleiten: »Bis in euer Alter bin ich derselbe, und ich will euch tragen, bis ihr grau werdet. Ich habe es getan; ich will heben und tragen und erretten.« (Jesaja 46,3-4)

Lebenslanger Glaube und eine Erkenntnis

Eine Geschichte vom lebenslangen Glauben und Vertrauen erzählt das Lukasevangelium (Lukas 2,25-39). Zwei alte Menschen haben ihr ganzes Leben in der Nähe des Tempels verbracht, um der Ewigen nahe zu sein. Obwohl die Prophetin Hannah und der gottesfürchtige Simeon schon alt und vom Schicksal gezeichnet sind, leben sie jeden Tag voller Erwartung.

Und tatsächlich, Gott zeigt sich ihnen. Sie erkennen Gott in dem Säugling Jesus, den Maria und Josef in den Tempel bringen. Hannah preist Gott, und Simeon jubelt: »Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen.«

Weise Frauen im Alten Testament

In der Geburtsgeschichte des Evangelisten Lukas spielen insgesamt vier Alte eine wichtige Rolle. Neben Hannah und Simeon sind das Elisabeth und ihr Mann Zacharias. Gleich zwei alte Frauen haben hier eine so wichtige Funktion in der Erzählung. Hannah und Elisabeth stehen damit in der Tradition weiser alter Frauen im Alten Testament. Im Prophetenbuch Joel heißt es, dass Gott seinen Geist auf Männer wie Frauen ausgießt. »Eure Alten sollen Träume haben.« (Joel 3,1-5)

Beschwerden werden nicht verheimlicht

Altern ist nicht nur traumhaft. In der Bibel gibt es zahlreiche Texte, die beschreiben, wie mühsam das Alter sein kann. Der Prediger Salomo zählt schonungslos Alterserscheinungen auf: »Denk an deinen Schöpfer, solange du noch jung bist, ehe die schlechten Tage kommen und die Jahre, die dir nicht gefallen werden.

Dann verdunkeln sich dir Sonne, Mond und Sterne und nach jedem Regen kommen wieder neue Wolken. Dann werden deine Arme, die dich beschützt haben, zittern und deine Beine, die dich getragen haben, werden schwach.

Die Zähne fallen dir aus, einer nach dem anderen; deine Augen werden trüb und deine Ohren taub. Deine Stimme wird dünn und zittrig. Das Steigen fällt dir schwer, und bei jedem Schritt bist du in Gefahr zu stürzen. Draußen blüht der Mandelbaum, die Heuschrecke frisst sich voll und die Kaperfrucht bricht auf; aber dich trägt man zu deiner letzten Wohnung. Auf der Straße stimmen sie die Totenklage für dich an.« (Prediger 12,1-7)

Was der Prediger Salomo da vor Tausenden von Jahren beschreibt, ist bis heute zum Fürchten. Viele empfinden das letzte Lebensalter als Bedrohung und haben Angst davor. Angst vor Kontrollverlust und Passivität.

Freiere Gestaltungsmöglichkeiten

Seit den biblischen Zeiten hat sich vieles verändert. Menschen können heute ihr Leben sehr viel freier gestalten. Die gesellschaftlich (weitgehend) akzeptierten Lebensentwürfe sind vielfältig und bunt. Ich kann mich entscheiden, welches Beziehungsmodell ich leben möchte, ob und wen ich heiraten will. Auch welchen Beruf ich ergreife, kann ich theoretisch frei wählen. Theoretisch, weil die Zugangsmöglichkeiten zu Bildung und angemessen bezahlter Arbeit in Deutschland bis heute nicht gerecht verteilt sind. Altersarmut ist ein großes Thema.

Trotzdem. Wir sind sehr viel freier in der Gestaltung unseres Lebens. Gerade für Frauen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten viel getan. Das betrifft auch das Alter. Altern wird heute als ein Prozess verstanden, in dem es Gestaltungsspielräume gibt. Unser Körper altert. Das können auch Botox & Co. nur verzögern, nicht aufhalten. Wie die Jugend ist auch das Altern eine Gestaltungsaufgabe.

Frauen und Männer altern unterschiedlich

Biologisch gesehen werden wir alle täglich älter – soziologisch gesehen werden wir alle unterschiedlich alt gemacht und machen uns auch selbst unterschiedlich alt. Die Soziologinnen und Soziologen sprechen von »Doing aging«. Gemeint ist das, was die Gesellschaft dem einzelnen Menschen an Jahren zuschreibt. Und es geht darum, wie die jeweilige Person mit dieser Zuschreibung umgeht. Altern ist eine Handlung und kein Fatum mehr.

Die Journalistin Bascha Mika stellt in ihrem Buch »Mutprobe. Frauen und das höllische Spiel mit dem Älterwerden« fest: Das Altern von Männern und Frauen wird nach wie vor sehr unterschiedlich in der Gesellschaft verhandelt. Verkürzt gesagt: »Der Mann reift. Die Frau altert.« Männer gelten mit den Jahren oft als interessanter. Frauen dagegen machen die Erfahrung, unsichtbar zu werden und weniger als Akteurinnen in gesellschaftlichen Prozessen betrachtet zu werden.

Diese Beobachtung hat die amerikanische Publizistin Susan Sontag bereits vor 40 Jahren beschrieben. Sie nennt es »Double Standard of Aging«. Dieser doppelte Standard, mit dem das Alter bei Männern und Frauen bewertet wird, setzt Frauen bis heute in der dritten Lebensphase unter erheblichen Druck.

Viele beschreiben es als die Erfahrung, nicht wahrgenommen, ausgeschlossen, ja unsichtbar zu werden. Bascha Mika ruft zum Umdenken auf. Denn das gesellschaftliche Ignorieren von Frauen jenseits der 50 schadet nicht nur den Frauen. Es lässt eine Gesellschaft verarmen, die meint, ohne deren Kompetenzen auszukommen.

Sichtbar sein

Die Bibel beweist größeren Einfallsreichtum: »So spricht Adonaj, mächtig über Heere: Es werden noch Greise und Greisinnen auf den Plätzen Jerusalems sitzen, den Gehstock in der Hand, weil hochbetagt. Und die Plätze der Stadt werden voll sein von Jungen und Mädchen, die auf ihren Plätzen spielen.« (Sacharja 8,4-5) Alte Frauen und Männer gleichermaßen sichtbar und um sie herum spielende Kinder. So sieht der Prophet Sacharja die Zukunft der Menschen.

Artikel mit freundlicher Genehmigung der »Evangelischen Frauen in Hessen und Nassau«, www.evangelischefrauen.de

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