Herzlich Willkommen! Entdecken Sie, welche Angebote der EKHN zu Ihnen passen. Über das Kontaktformular und auf facebook sind wir offen für Ihre Anregungen.

Menümobile menu

Erste Sportethik-Tagung der Kirche

Von besonderem Blut und dem Blick in alle Körperöffnungen

Deutscher SportbundAnti-Doping Broschüre des Deutschen SportbundesAnti-Doping Broschüre des Deutschen Sportbundes

Wie sich Spitzensportler verhalten und was sie tun, prägt die ganze Gesellschaft. Grund genug für die evangelische Kirche, erstmals zu einem sportethischen Fachtag mit mehr als einem Dutzend Expertinnen und Experten einzuladen. Im Fokus: Doping. Dabei ging es nicht nur um Blut, Urin und den Blick in alle Körperöffnungen, sondern auch darum, die Situation für die Athleten zu verbessern.

Bildergalerie

Volker Jung beim Sportethik-Fachtag 2018 Ines Geipel Améli Ebert und Sylvia Schenk (r.) beim sportethischen Fachtag 2018
EKHN/RahnSportethik-Fachtag 2018 der EKD in der Evangelischen Akademie unter anderem mit (v.l.) Eugen Eckert, Otmar Weiß, Lars Mordensiefer, Améli Ebert, Sylvia SchenkSportethik-Fachtag 2018 der EKD in der Evangelischen Akademie unter anderem mit (v.l.) Eugen Eckert, Otmar Weiß, Lars Mordensiefer, Améli Ebert, Sylvia Schenk

Kaum ein anderes kritisches Thema beherrscht den Spitzensport seit Jahren so sehr wie die Frage nach dem Doping. Im Radsport, natürlich in der Leichtathletik und immer öfter auch im Fußball geht es kaum mehr ohne unlautere Hilfsmittel zur Sache. Und die fangen durchaus schon in der Amateur-Kabine im Handball an, wenn dort die Voltaren-Tabletten kreisen. Vergangens Jahr gestand Ex-Eintracht-Trainer Nico Kovac im Bild-Interview freimütig ein, dass es im Profi-Fußball ohne Schmerzmittel auf den Platz nicht geht. Angesichts der Vorbildfunktion des Leistungssports ist das nicht nur ein Problem für die Kabine oder den Trainingsplatz. Wie sich Spitzensportler verhalten und was sie tun, prägt die ganze Gesellschaft. Grund genug für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) mit ihrem Sportbeauftragten Volker Jung erstmals zu einem sportethischen Fachtag mit mehr als einem Dutzend Expertinnen und Experten einzuladen. Der Titel: „Zwangssystem-Systemzwang“. Und natürlich ging es bei der Tagung in der Evangelischen Akademie in Frankfurt am Donnerstag (13. September) ums Doping und ob sich etwas dagegen unternehmen lässt. 

Ein starkes Stück Leben?

Eigentlich, ja eigentlich, ist Sport ein „starkes Stück Leben“, sagt der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung in seiner Begrüßung. Es bleibe „aber nur dann ein wirklich starkes Stück Leben, wenn Sport das Leben fördert“, so der evangelische Theologe weiter. Mit Blick auf das Thema Doping sei es wichtig, konsequent danach zu sehen, dass die Würde von Menschen nicht nur gewahrt und respektiert bleibt, sondern sie in ihrer Würde ernst genommen und gefördert werden.

Whistleblower stärken

Markus Hauptmann, Mitbegründer der deutschen Nationalen Antidoping-Agentur NADA sieht im Doping denn auch nicht nur ein reines Sportproblem. Es geht bei der Dopingfrage auch um die „Bewahrung der ethischen Werte in der Gesellschaft“, erklärt er. Die bisherigen Dopingkontrollen seien bei weitem nicht ausreichend, führt er aus und nennt erschütternde Zahlen. Nur etwa 0,2 bis 0,3 Prozent der jährlich etwa 12.000 Proben in Deutschland sind positiv. Dagegen stünde eine „100 bis 200-fach höhere Dunkelziffer“. Studien belegten dies und gehen davon aus, dass bis zu 40 Prozent der Leistungssportler verbotene Mittel nutzten. Er fordert deshalb unter anderem mehr gezielte Kontrollen und eine bessere Vernetzung in die „Insiderszene“. Potentielle „Whisteblower“ im Leistungssport müssten gestärkt und rechtlich abgesichert werden. So würden beispielsweise in den USA mögliche Kosten von Prozessen gegen aussagewillige Sportler übernommen.   

Null Toleranz

Sylvia Schenk, frühere deutsche 800-Meter-Meisterin und heute bei Transparency Interneational Deutschland Leiterin der Arbeitsgruppe Sport, fordert null Toleranz beim Thema Doping. Und sie macht es am Beispiel Fußball klar. Wenn ein Schiedsrichter am Anfang nachlässig pfeift, bekommt er das Spiel nachher nicht mehr in den Griff.  Zum Kern einer vielfach diskutierten Reform im Spitzensport gehöre für sie deshalb die Dopingfrage. Am Ende müsse sich das Bewusstsein durchsetzen, dass „der Ehrliche auch der Kluge“ ist.   

Ständig im Tracker

Amélie Ebert, Mitglied der deutschen Athletenkommission und Weltklasse-Synchronschwimmerin beschreibt, wie stark die Angst unter Spitzensportlern umgeht, versehentlich ins Visier der Dopingfahnder zu geraten. Es mache zudem nicht gerade Spaß, ständig unter Generalverdacht zu stehen. So fürchteten sich Athleten etwa, bei der obligatorischen Dokumentation von Aufenthaltsorten mögliche Fehler zu machen. Auch die automatische Ortsbestimmung, das Tracking per Handy, hat manchmal seine Tücken. Was, wenn das Gerät versagt? Ebert beschreibt auch die Urinkontrollen unter Aufsicht detailreich. Es wird klar: Würdig geht das dabei nicht gerade zu. Sie fordert zugleich, die Kontrollsysteme und Strafen weltweit zu harmonisieren. Es sei nicht verständlich, dass es neben Ländern mit scharfen Kontrollen auch Nationen gebe, in denen „Staatsdoping“ Gang und Gäbe sei. Regelmäßige, unabhängige Tests müssten Zugangsvoraussetzung zu internationalen Wettkämpfen sein.

Bis auf die Haut

Wie stark Grundrechte von Sportlerinnen und Sportlern bei den Kontrollen verletzt werden – darauf wies der Baden-Württembergische Datenschutzbeauftragte Stefan Brink hin. Dopingkontrollen sind seiner Ansicht nach nicht einfach nur ein ganz neutraler Drogen-TÜV. Dass ein Arbeitgeber beim Toilettengang zuschaut, dort das Entkleiden verlangt und alle  Körperöffnungen kontrolliert, sei in anderem Zusammenhängen völlig undenkbar. Im Spitzensport ist genau das Selbstverständlich. Es gebe auch „massive Defizite“ in der Weiterverarbeitung der Daten von Spitzensportlern und in welche Hände sie gelangen, moniert er . Es fehle an Transparenz. Und es fehle an Freiwilligkeit. „Es herrscht eine Vogel-Friss oder Stirb-Mentalität.“

Chemifizierte Athleten

Die frühere DDR-Spitzensportlerin Ines Geipel führt vor Augen, was passiert, wenn Wettkämpferinnen und Wettkämpfer in ihrer Karriere „chemifiziert“ werden, wie es im Fachjargon fürs Dopen so schön heißt. Geipel, die inzwischen Autorin und Literaturprofessorin ist, spricht von rund 500 bekannten Todesfällen in der DDR infolge von umfassendem Staatsdoping. Damals sei allen bekannt gewesen, dass die Mittel irreversible Gesundheitsschäden auslösten. Sie bezeichnet die früheren Trainings oft als „Menschenversuche“. Der Schaden, den Doping physisch und psychisch auslöse, müsse heute viel deutlicher in der Öffentlichkeit dargestellt werden. Auch das Wissen und die Erfahrungen ehemaliger Spitzensportlerinnen und -sportler sollten stärker einbezogen werden. Und: Es könne nicht sein, dass belastete Trainer „immer noch auf dem Feld sind“.  

Voltaren im Alltagseinsatz

Dass es viel mehr als Blutdoping im Spitzensport gibt, beschreibt der Sportmediziner und Pharmazeut Fritz Sörgel. Neben neuesten gentechnischen Präparaten tun es durchaus auch Medikamente aus der Hausapotheke wie Schmerzmittel oder das gute, alte Koffein. Als problematisch bezeichnet er dabei die Einnahme des Schmerzpräparats Voltaren in hohen Dosen und ohne Not. Dies habe bei dem langjährigen kroatischen Fußball-Nationalspieler Ivan Klasnić vermutlich zum Verlust seiner Nieren geführt. Und selbst Koffein hat seinen Nutzen und sorgt bis heute im Radsport für bessere Zeiten nicht nur am Berg.

Fairplay für eine bessere Welt

Otmar Weiß, Wiener Sportwissenschaftler, blickt schließlich hoffnungsvoll in die Zukunft, auch wenn es sich zu Beginn seines Beitrags gar nicht so anhört. Er ist überzeugt, dass sich Doping niemals verhindern lassen wird. Es lasse sich aber eindämmen. Die Schuld am zunehmenden Sittenverfall im Sport  sieht er in einer immer stärkeren Fokussierung auf die Leistung. Hinzu kämen „Ruhmsucht und Profitgier“. Er wirbt dafür, statt schärferer Kontrollen auf mehr Vertrauen bei den Sportlern zu setzen. Der wichtigste Wert in der Gesellschaft und im Sport sei „Fairplay“, erklärt er. Es müsse sich das Bewusstsein wieder durchsetzen, dass der „wahre, schöne Sieg“, der Sieg sei, der durch Fairplay errungen wurde. Dies könne sogar sinnstiftend für eine bessere Welt sein, sinniert der Hochschullehrer. Und zum Beweis für seine These zeigt er Ausschnitte des Fußball-WM-Finales von 2010. Die eleganten und fairen Spanier entschieden es damals gegen die grob holzenden Holländer für sich. Will heißen: Das Gute siegt. Was Weiß unterschlägt: Der entscheidende spanische Teffer fiel erst in der Verlängerung kurz vor Abpfiff. Zum Fairplay ist es offenbar noch ein harter und ein langer Weg.  

Gott hat uns nicht gegeben
den Geist der Furcht,
sondern der Kraft und der Liebe
und der Besonnenheit.

(2. Timotheus 1,7)

to top