Bericht zum Antisemitismus
Gewalt, Anfeindungen und Pöbeleien
dpa/Alexander Baumbach
03.05.2017
esz
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Einen Antisemitismusbeauftragten auf Bundesebene und eine bundesweite Datenbank für antisemitische Straftaten – das sind zwei von fünf zentralen Forderungen, die der unabhängige Expertenkreis Antisemitismus zum Abschluss seiner zweijährigen Arbeit im Bundestag vorstellte. Er plädiert auch dafür, Präventionsangebote nachhaltig zu fördern, eine Bund-Länder-Kommission einzurichten und die Forschung zu Antisemitismus zu fördern.
»Klassische« Judenfeindschaft geht zurück
Die Ko-Koordinatorin des Expertenkreises, die Berliner Wissenschaftlerin Juliane Wetzel, betonte, Antisemitismus finde sich in allen gesellschaftlichen Gruppen. Zwar gehe der »klassische Antisemitismus«, der Juden zu viel Einfluss unterstelle, zurück. 2016 hätten sich nur noch rund fünf Prozent der Bevölkerung in Umfragen dazu bekannt. Allerdings verträten rund 40 Prozent einen israelbezogenen Antisemitismus, der die politischen Entscheidungen des Staates Israel per se als jüdisches Handeln kritisiere.
Hass in den sozialen Netzwerken
Eine Zunahme registrierten die Fachleute und jüdischen Organisationen im alltäglichen Antisemitismus und bei antisemitischer Hetze, vor allem in den sozialen Netzwerken. Das untermauert auch die neue polizeiliche Kriminalitätsstatistik. Für 2016 wies sie 1468 Fälle von antisemitischer Hasskriminalität aus, 7,5 Prozent mehr als im Jahr zuvor, darunter viele Hasspostings, hieß es.
Beleidigungen, die in keiner Statistik auftauchen
Der Direktor des Anne Frank Zentrums in Berlin, Patrick Siegele, kritisierte, noch immer fehle ein schlüssiges Gesamtkonzept gegen Antisemitismus. Zudem werde Antisemitismus von Nicht-Juden meist nicht als Problem wahrgenommen. Dagegen berichteten Juden von Anfeindungen, Beleidigungen und Pöbeleien, die keine Statistik erfasse.
Genaueren Blick in die Gemeinden werfen
Ausdrücklich rief der Expertenkreis die Evangelische Kirche Deutschland (EKD) auf, die Diskussion über das Verhältnis der evangelischen Kirche zu Juden und Judentum zu analysieren. Die beiden großen Kirchen und auch die Freikirchen sollten zudem die Verbreitung von Antisemitismus in den Gemeinden untersuchen.
Antisemitismus von Flüchtlingen unklar
Der Expertenkreis warnte zudem davor, muslimische Zuwanderern grundsätzlich eine antisemitische Haltung zu unterstellen. Zwar seien viele von ihnen in Ländern sozialisiert, wo Antisemitismus Tradition habe, sagte Wetzel. Diese Menschen seien aber aus diesen Ländern geflohen und zeigten großes Interesse an demokratischen Strukturen. Bislang gebe es auch keine ausreichenden Untersuchungen zu möglichen antisemitischen Einstellungen unter Flüchtlingen.
Holocaust oft mit Nahost-Konflikt verbunden
Eine Studie unter mehrheitlich türkischen Imamen in Deutschland zeigte laut Wetzel, dass es in den Moscheen keine eklatanten antisemitischen Stereotype gebe. Allerdings werde oft der Holocaust mit dem Nahost-Konflikt verbunden. Körperliche Angriffe und antisemitische Straftaten gehen dem Bericht zufolge nach wie vor zu 90 Prozent auf das Konto rechter oder rechtsextremistischer Gruppen.
Christina Denz/epd