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Gastbeitrag – Teil 2

Mission und Fürsorge

Klaus NeumeierGottesdienstGottesdienst

Die Stadt kümmert sich um das wirtschaftliche und soziale Wohl ihrer Bürgerinnen und Bürger, die Kirchengemeinde um das spirituelle. Doch diese Aufgabenverteilung hat die evangelische Christuskirchengemeinde in Bad Vilbel durchbrochen: Sie hat sich für die sozialen Bedürfnisse von Flüchtlingen und Obdachlosen geöffnet. Darüber hat Juliane Rupp eine wissenschaftliche Arbeit unter dem Titel „Kirche mittendrin – Chancen diakonischer Gemeindearbeit für die Kirche und ihre Verkündigung“ verfasst und in diesem Gastbeitrag ihre Erkenntnisse im 2. Teil der Serie „Kirchendämmerung oder Morgenröte?“ zusammengefasst.

Mission und Fürsorge, Verkündigung und Diakonie sind zwei Pfeiler des kirchlichen Auftrages nach außen. Die Christuskirchengemeinde Bad Vilbel sieht schon lange beides als ihre genuinen Aufgaben an. Kirche und Diakoniestation lagen ursprünglich direkt nebeneinander – im Zentrum der Stadt. Das Kirchengebäude ist sternförmig aufgebaut, in der Mitte ein Kreuz: Christus als Grund und Mitte der Gemeinde soll wie die Strahlen des Sterns in die Stadt hineinwirken. „Mittendrin“ nannte die Gemeinde das Jubiläumsmagazin anlässlich des 50jährigen Bestehens der Christuskirche. Dabei hat die Gemeinde eine Entwicklung durchgemacht, erklärt eine Kirchenvorsteherin. Das Verhältnis der Kirchengemeinde zur Kommune beschreibt sie als ursprünglich eher distanziert. Beide – Stadt und Kirche – haben je ihre Arbeit gemacht, ihre eigenen Ziele verfolgt.

Kirche und Kommune kooperieren bei der Integration von Flüchtlingen

Doch mittlerweile kann man von einem Miteinander sprechen. Gemeinsame Projekte, Zusammenarbeit, Vernetzung, das Teilen von Ressourcen prägen heute das vertrauensvolle und offene Verhältnis. Davon zeugt das selbstverständliche Einbeziehen der Kirchengemeinde durch die Kommune, als sie vor die Herausforderung der Aufnahme von Flüchtlingen gestellt wird. Die Christuskirchengemeinde wird seitens der Kommune als starker Partner angesehen, der dazu beitragen kann, dass Flüchtlinge gut aufgenommen werden. Die Gemeinde nutzt ihr Potenzial und ihre Ressourcen, veranstaltet Willkommensfeiern, übernimmt Patenschaften, sammelt Fahrräder.

Gemeinschaft mit Flüchtlingen leben in Mainz

Auch die Auferstehungsgemeinde in Mainz engagiert sich in der Flüchtlingsarbeit. Hier gab es keine Anfrage seitens der Kommune, vielmehr ergriff die Kirchengemeinde die Initiative, nachdem es beim Beschluss der Einrichtung einer Flüchtlingsunterkunft im Stadtteil Unruhen gegeben hatte. Die Gemeinde versprach, sich um die ankommenden Flüchtlinge zu kümmern und löste dieses Versprechen auch ein. Dies wird in der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen. Zugleich fühlt sich die Gemeinde bereichert durch die persönlichen Kontakte zu den Flüchtlingen. Einige von ihnen nehmen sogar am Gemeindeleben teil und bringen ihre (Glaubens-)Erfahrungen mit ein.

Tischgemeinschaft mit Wohnsitzlosen in Bad Vilbel

Die Auferstehungsgemeinde legt wie die Christuskirchengemeinde großen Wert auf lebendig gestaltete Gottesdienste. Die mit großem Einsatz vorbereiteten Gottesdienste haben (missionarische) Strahlkraft. In den letzten Jahren kam nun immer mehr das Anliegen auf, das diakonische Engagement der Gemeinde auszubauen und in den Strukturen der Gemeinde abzubilden. Ein zweimal jährlich stattfindendes Diakonieforum soll nun als Plattform dienen, um die diakonische Arbeit weiterzuentwickeln. Der Blick nach außen, auf die Nöte und Bedürfnisse der Menschen, die im Stadtteil wohnen, wird dabei geschärft. Eine Initiative, die daraus entstanden ist, ist das Kochen mit Wohnsitzlosen. Ehrenamtliche bereiten gemeinsam mit Wohnungslosen ein 3-Gänge-Menü vor. Bei anschließender Tischgemeinschaft wird gemeinsam gegessen und es gibt einen geistlichen Impuls, einen „Hinweis auf Gott“, eine „Ermutigung fürs Leben“. Dabei kommt es zu einer Begegnung auf Augenhöhe. Indem sich die Kirche für andere einsetzt, wird sie zugleich durch die Präsenz der anderen herausgefordert, bereichert, verändert, sie wird zu einer Kirche mit anderen.

Zum Prozess der „Selbstwerdung“ ermutigen

Die Außenorientierung einer Gemeinde kann zugleich ihr Innerstes verändern – in gefährliches Unterfangen? Gefährlich, ja, wenn Kirche am liebsten das bewahren will, was sie hat, wenn sie sich auf das konzentriert, was sie ist. Kirche ist jedoch vom Evangelium her gerufen ihr Handeln an die Welt, an das Volk („Volkskirche“), an die Gesellschaft zu richten. Eine konsequente Öffnung nach außen durch Mission und Fürsorge kann deshalb als Prozess der „Selbstwerdung“ verstanden werden.

Evangelische Christuskirchengemeinde Bad Vilbel

Ich merke, der weite Raum
entsteht nicht in mir und durch mich.
Er entsteht, weil andere da sind,
die mir Räume eröffnen,
gnädig umgehen mit meinen Schwächen,
sich einsetzen für einen menschenwürdigen Umgang
mit allen Menschen.

(Melanie Beiner zu Psalm 31,9)

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