Bewegender Abschied
"Nicht in Worte zu fassen" - Gedenkgottesdienst für den Jungen von Gleis 7
Joachim Storch / EKHN
19.08.2019
vr
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In einem bewegenden Gottesdienst haben Familie, Freunde, Nachbarn und Bekannte am Samstagabend (17. August) von dem Ende Juli an Gleis 7 am Frankfurter Hauptbahnhof gestorbenen Jungen Abschied genommen. Bei der ökumenischen Gedenkfeier am Heimatort der Familie in Glashütten (Hochtaunuskreis) war auch der Hessische Ministerpräsident Volker Bouffier mit seiner Frau Ursula unter den Trauernden. In einem persönlichen Gespräch hatte er der Familie zuvor seine Anteilnahme bekundet. Bouffier und die Glashüttener Bürgermeisterin Brigitte Bannenberg hatten sich zudem kurzfristig entschlossen, selbst eine Fürbitte im Gottesdienst zu beten.
„Unendliche Leere“
In seiner Ansprache sagte der evangelische Propst für Rhein-Main, Oliver Albrecht, wie wichtig es angesichts der Sprachlosigkeit sei, „zusammenzuhalten, zu beten und zu weinen, zu singen und zu klagen, uns an den Händen zu nehmen und in die Augen zu schauen“. Das Ereignis bleibe „für immer schrecklich und unfassbar“, so der leitende evangelische Geistliche im Rang eines Regionalbischofs. Albrecht: „Das ist nicht in Worte zu fassen. Es ist wie ein böser Traum und zugleich eine unendliche Leere. Wie kann da der Glaube helfen? Was kann uns trösten? Der Glaube nimmt uns nicht den Schmerz. Aber er hilft vielleicht, mit ihm zu leben“.
„Die Liebe hört niemals auf“
Albrecht verwies dabei auf das biblische Wort „Die Liebe hört niemals auf“ aus dem Korintherbrief. Nur so sei „dieses Leben und Sterben auszuhalten“. Menschen könnten darauf vertrauen, dass das Kind auch nach dem Tod bei Gott selbst und in seiner Liebe geborgen bleibe. Die Liebe sei wie eine Brücke zwischen Leben und Tod. Albrecht sagte den Angehörigen: „Und wenn die Verzweiflung Sie überwältigt, dann wünsche ich Ihnen, in diese Liebe zurückkehren zu können. Wenn Sie die Leere und den Schmerz besonders spüren, dann soll die Gewissheit noch stärker sein: Das Kind ist in Gottes Liebe geborgen. Die Liebe hört niemals auf.“
„Fassungslos über das Böse“
In einem Fürbittengebet sprach Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier das Entsetzen über die Tat im Bahnhof an. Er betete: „Wir sind fassungslos über das Böse, zu dem ein Mensch fähig ist. Wir sind erschrocken. Wir sind zornig. Hilf uns, hilf allen, damit sich der Zorn nicht in die Seele frisst. Damit die Wut nicht zur Rache drängt. Sei an unserer Seite.“
„Nicht beirren lassen“
Die Glashüttener Ortsbürgermeisterin Brigitte Bannenberg bat in ihrem Gebet um Kraft und Stärke: „Lieber Gott, gib uns die Kraft als Gemeinde zusammen zu stehen und schwierige Zeiten gemeinsam zu überwinden. Gib uns die Stärke, uns nicht beirren zu lassen im Bestreben um einen respektvollen und friedlichen Umgang miteinander. Schenke der Familie Kraft in ihrer Trauer und für ihr weiteres Leben. Schenke ihnen Mut und lass nicht zu, dass die Geschehnisse sie zerbrechen.“
Stille und Musik im Gottesdienst
Die Feier begann mit Orgelmusik und mit dem Anzünden von vier symbolischen Kerzen. Sie standen für die Dreieinigkeit Gottes (Vater, Sohn und Heiliger Geist) sowie für den Jungen. Mit dem bekannten Gospellied „We shall overcome“ (Wir werden es überwinden), und der Aufforderung, sich gegenseitig an den Händen zu fassen, endete die bewegende Andacht. Für Kinder gab es am Rand der Feier die Möglichkeit, ihre Gedanken an einer Gebetswand mit Bildern auszudrücken Den ökumenischen Gedenkgottesdienst gestalteten neben Propst Oliver Albrecht die evangelische Pfarrerin Jennifer Koch und, der katholische Pfarrer Stefan Peter. Die musikalische Verantwortung lag bei Angelika Meißner-Racky. Medienvertreterinnen- und -vertreter waren im Gottesdienst mit Rücksicht auf die Trauerfamilie nicht zugelassen.