Bebauen und bewahren
Protest gegen Patent auf herkömmlich gezüchtete Tomaten
Karin Jung/pixelio.de
13.05.2016
red
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Menschen züchten und kreuzen seit Jahrtausenden Pflanzen; die neuen Sorten stehen der Nachwelt zur Verfügung. Doch mittlerweile gibt es Konzerne, die Patente auf Kreuzungen von Pflanzensorten beanspruchen, um die genetischen Ressourcen zu privatisieren. Der Schweizer Konzern Syngenta zum Beispiel hat 2015 beim EPA ein Patent auf die Erfindung einer neuen Tomatensorte angemeldet.
Forderung: Politik muss endlich gegen Patentmissbrauch vorgehen
Doch die angebliche Erfindung besteht lediglich darin, bereits bestehende Sorten miteinander zu kreuzen. Dabei verbietet das europäische Patentrecht ausdrücklich sowohl Patente auf Pflanzensorten als auch Patente auf konventionelle Züchtung. Mit dem Einspruch soll erreicht werden, dass dieses und andere widerrechtlich erteilte Patente für nichtig erklärt werden.
Noch nie haben sich so viele Einsprechende an einem solchen Verfahren beteiligt – „ein deutliches Signal an die Politik“, findet Iga Niznik von Arche Noah, der Gesellschaft für die Erhaltung der Kulturplanzenvielfalt und ihrer Entwicklung. Lara Dovifat von Campact sieht das genauso: „Unser Einspruch zeigt, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht länger gewillt sind, dabei zuzusehen, wie die großen Konzerne sich immer mehr die Kontrolle über unsere Lebensmittel aneignen. Jetzt muss der zuständige Justizminister Maas endlich handeln und das im Koalitionsvertrag angestrebte Verbot von Patenten auf Leben auch auf europäischer Ebene durchsetzen“.
EKHN-Agrarreferentin befürchtet negative Auswirkungen für Verbraucher
Dr. Maren Heincke arbeitet beim Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung (ZGV) der EKHN und kämpft bereits seit 15 Jahren gegen das Vorgehen der EPA. Auch sie bemängelt, dass nicht etwa Erfindungen, sondern vielmehr die natürliche biologische Vielfalt patentiert werde. Diese Vorgehensweise ist für sie nichts anderes als Biopiraterie. Durch Patente wie das von Syngenta würde die Sortenvielfalt eingeschränkt, die großen Konzerne bekämen immer mehr Macht – bis hin zu Monopolstellungen einiger weniger Großkonzerne. Eine solche Entwicklung hätte auch für Bürgerinnen und Bürger verheerende Auswirkungen: Immer weniger Auswahl und immer höhere Preise für die Endverbraucher wären die Folge. „Saatgut sollte nicht aufgrund von finanziellem Eigeninteresse privatisiert werden – es ist ein kulturelles und schöpferisches Erbe der gesamten Menschheit und gehört uns allen. Hier fühlen auch wir uns als Kirche verpflichtet, uns einzuschalten und diese Vielfalt zu bewahren“, sagt Heincke. Allerdings plädiert sie dafür, dass züchterische Leistungen auch honoriert werden. „Hier greift das Sortenschutzrecht. Es sorgt bereits dafür, dass der Züchter von den Landwirten, die sein gezüchtetes Saatgut erwerben, eine Gebühr erhält.“ Neue Züchtungen unterliegen dem Sortenschutz. Allerdings stehe es jedem Züchter frei, das Saatgut eines anderen Züchters als Grundlage für eigene Züchtungen zu verwenden. „Hier besteht ein wesentlicher Unterschied zum Patentrecht. Liegt auf einer bestimmten Pflanzensorte ein Biopatent, darf ein anderer Züchter sie nicht ohne weiteres weiterzüchten.“
Organisationen werfen der EPA Rechtsmissbrauch vor
Vertreter des EPA weigerten sich im Vorfeld, einen Gesprächstermin mit den beteiligten Organisationen zu vereinbaren. Heute, am Tag der Übergabe des Einspruchs, tagt auch der Ausschuss ‘Patentrecht‘ des EPA und berät über die Auslegung der bestehenden Verbote des europäischen Patentrechts. Nach Ansicht des ZGV begeht das EPA Rechtsmissbrauch, indem es die bestehenden Verbote einfach umgeht: Etwa 180 Patente, die die konventionelle Züchtung von Pflanzen oder Tiere betreffen, hat es bereits erteilt. Da die EPA kein EU-Organ, sondern eine private Institution ist, verdient sie an den bestehenden Patenten; für das ZGV ist dieser Zustand in hohem Maße undemokratisch und nicht haltbar. Die Forderung ist daher, dass die Mitgliedsstaaten und das EU-Parlament politisch aktiv werden und Patente auf Saatgut endlich stoppen.
mehr über "Biopatente" beim Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN
[Felix Kästner]