Gastbeitrag – Einführung
Serie: Kirchendämmerung oder Morgenröte?
Simon Grossner
26.08.2015
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„Kirchendämmerung“ wird ausgerufen - so der Titel eines einflussreichen Buches des Münchner Theologen und Publizisten Friedrich Wilhelm Graf. Soll heißen: Kirche und christlicher Glaube verdämmern, die Abkehr von Kirche und Glaube wird zur Mehrheitseinstellung, dokumentiert durch die nochmals gestiegenen Kirchenaustritte und Austrittsbekundungen. Graf meint, dieser Trend liege nicht zwingend in der gesellschaftlichen Entwicklung, sondern sei zu nicht geringem Teil mitverantwortet.
Zuversichtliche Erfahrung: Diese Kirchengemeinden wachsen gegen den Trend
Wie sich Kirche dieser Verantwortung stellen kann, haben die drei Autoren Juliane Rupp, Adrian Schleifenbaum und Henning von Vieregge analysiert. In der vierteiligen Serie „Kirchendämmerung oder Morgenröte“ stellen die Autoren in Gastbeiträgen drei Kirchengemeinden aus dem Gebiet der EKHN vor, die sich gesellschaftlichen Herausforderungen erfolgreich geöffnet haben. Inhalt der Serie:
Einführung: Kirchendämmerung oder Morgenröte? (dieser Artikel)
von Dr. Henning von Vieregge (Hauptgeschäftsführer Gesamtverband Kommunikationsagenturen GWA bis 2009, heute Dozent am Zentrum für wissenschaftliche Weiterbildung der Universität Mainz, Autor und Blogger (www.vonvieregge.de)
Teil 1: Wachsen gegen den Trend
Hier wird der kritisierte Wachstumsbegriff in den Focus genommen und geklärt, warum Wachstum prinzipiell nicht zur Disposition stehen sollte.
von Adrian Schleifenbaum (Doktorand in praktischer Theologie in Heidelberg)
Teil 2: Mission und Fürsorge
Die Autorin geht der These nach, dass Mission und Fürsorge immer weniger als Gegensatz begriffen werden, was Konsequenzen für die Ausrichtung einer Gemeinde hat.
von Juliane Rupp (Theologiestudentin in Heidelberg)
Teil 3: Licht auf dem Berge oder Salz der Erde: Missionarische Ausrichtung braucht Außenorientierung
Der Autor beschäftigt sich mit der Frage, was ein systematisch betriebenes Eingehen von Kirchengemeinden in die lokale Zivil- und Bürgergesellschaft bedeutet.
von Dr. Henning von Vieregge
Die Autorin und die beiden Autoren teilen mit Wolfgang Huber u.a. die Auffassung, dass die grassierende Selbstentmutigung innerhalb der Kirche schädlich ist. Huber hat sich jüngst in einem Interview gegen den Vorwurf wehren müssen, er habe im Impulspapier von 2006 mit der Ausrufung des Wachstumsziels illusionär gehandelt. „Einzelne zurückzugewinnen ist auch ein Wachsen gegen den Trend“, sagt er.
Sich öffnen und weiter entwickeln
Die drei Autoren haben sich die drei evangelischen Kirchengemeinden angesehen, die in der Untersuchung von Wilfried Härle „Wachsen gegen den Trend“ auf EKHN-Gebiet liegen. Härle selbst hatte zum Wiederbesuch nach einigen Jahren geraten. Die Gemeinden sind die Andreasgemeinde in Eschborn-Niederhöchstadt, die Auferstehungsgemeinde in Mainz, und die Christusgemeinde in Bad Vilbel. Der Befund, in unserer Serie in aller Kürze dargestellt: Alle drei Gemeinden haben sich auf je unterschiedliche Weise nach außen weiter geöffnet, häufig mit kirchlichen und / oder nichtkirchlichen Partnern. Die Autoren vertreten die Ansicht, dass dies ein Trend ist, der weit über die drei Beispielsgemeinden hinaus zu beobachten ist.
Die gemeinsame These der Autoren ist, dass stärkere lokale Außenorientierung von Kirche in eine win-win-Situation von Kirche und Bürgergesellschaft führen kann.
Nicht Ende, sondern Aufbruch
Bemerkenswert ist, dass alle drei Kirchengemeinden bei aller Unterschiedlichkeit eher missionarisch als politisch ausgerichtet sind. Büßt der innerkirchliche Gegensatz von gesellschaftspolitisch-sozialer versus missionarischer Ausrichtung an Schärfe ein? Kommen sich die Flügel näher? Gestreift wird die Frage, ob Kirchengemeinden nicht um weitere lokale Initiativen und um regionale Impulse aus dem kirchlichen Bereich ergänzt werden sollten. Die Autoren Rupp, Schleifenbaum und von Vieregge sehen und beschreiben Chancen für eine „Kirche, die über den Jordan geht“- um einen Buchtitel des katholischen Theologen Christian Hennecke zu zitieren. Sie haben mit Hennecke u.a. eine Kirche im Blick, die nicht ans Ende kommt, sondern zu einem Aufbruch, der diese Charakterisierung verdient.