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Herborn

Traueransprache für getöteten Polizisten

Christoph Boltendahl/pixelio.deEngelsfigurEngelsfigur

„Aus dem Leben wurde Christoph R. gerissen, aus der Hand Gottes nicht!“, sagte Pfarrer Andree Best in seiner Traueransprache in Herborn. Der gewaltsame Tod eines 46-jährigen Polizisten in Herborn hat die Menschen am Heiligen Abend erschüttert. Am vergangenen Samstag spendete der Pfarrer den Hinterbliebenen des Polizisten Trost.

Traueransprache von Pfarrer Andree Best für Christoph R.

Liebe Trauergemeinde, liebe Familie R., liebe Frau K.,

So sollte ein neues Jahr nicht beginnen! So nicht! Während sich alle ein frohes neues Jahr wünschen, kann dieses neue Jahr für Sie und viele von uns nicht fröhlich beginnen. In den sozialen Netzwerken ist gar dazu aufgerufen worden, sich aus Anteilnahme für Christoph, nicht an der Böllerei vorletzte Nacht zu beteiligen. Und ich bin sicher, dass viele von uns in der Silvesternacht an Sie gedacht und für Sie gebetet haben. Wer zwischen den Jahren über den Weihnachtsmarkt hier in Herborn ging, dem musste aufgefallen sein, dass die Musik ausgestellt war. Der Trauerflor am Maskottchen des Glühweinstandes war für alle sichtbar nur eines von vielen Zeichen, dass die Menschen in unserer Stadt mit Ihnen trauern. Die große Anteilnahme an diesem Gottesdienst bringt zum Ausdruck, wie sehr uns diese schreckliche Tat am Heiligen Abend verunsichert. An einem Abend, an dem die Engel von Frieden auf Erden singen und an dem sich die Welt mit Ihrem Schrecken und Ihrer Gewalt einfach weiterdreht, so als ginge sie das alles nichts an. Worin liegt denn dann der Sinn dieses Weihnachtsbaumes und der göttlichen Botschaft vom Christuskind?

Fassungslos sind wir, sagen viele. Sprachlos, ob der sinnlosen Gewalt. Wütend, ob dieser Tat. Trostlos, schrieb jemand bei facebook. Und ja, wie sollte man die Fassung auch bewahren, bei dieser Tat. Und ja, es braucht Zeit, bis man wieder Worte findet, die nur annähernd unsere Gefühlslage beschreiben kann. Und die Wut ist verständlich. Aber Trostlos? Trostlos möchte ich nicht sein! Und trostlos muss niemand sein!

Bleibt die Frage, worin kann der Trost heute für uns und für Sie liegen. Ich denke, in zwei Dingen. Erstens: Christoph R. hat seinen Dienst getan. Bis zum Schluss. Er hat am Ende geistesgegenwärtig gehandelt und damit mit Sicherheit noch Schlimmeres verhütet. Nicht auszudenken, was noch hätte passieren können. Er hat in letzter Konsequenz sein Leben eingesetzt, dafür dass die Gewalt nicht noch größere Ausmaße angenommen hat. So tun Sie es, seine Kollegen, jeden Tag, wenn Sie im Dienst sind. Die Gefahr ist immer dabei, auch wenn man sie nicht stets vor Augen hat. Es ist auf den Tag genau vier Wochen her, dass die Polizeidirektion Lahn-Dill in dieser Kirche ihr alljährliches Polizeikonzert als Dank an die Bevölkerung veranstaltet hat. Jetzt ist es an uns, den Menschen dieser Stadt, dieses Landkreises, Ihnen für Ihren Dienst zu danken, und wir tun dies stellvertretend in der Anteilnahme am Tod Ihres Kollegen Christoph R.. Man muss kein besonders emphatischer Mensch sein, um sich vorstellen zu können, wie es Ihnen, den Kollegen geht. Sie sind sicher in den letzten Tagen mit gemischten Gefühlen zum Dienst gefahren. („Was wäre, wenn ich…) Nein, diese Gewalttat richtet sich nicht gegen eine bestimmte Person, sondern ohne Vorwarnung und Anlass gegen die Polizei als solche. Das Wort Polizei kommt vom griechischen Politeia, und das ist das Gemeinwesen. Sie, die Polizei haben die Aufgabe, das Gemeinwesen zu schützen. Und genau das hat Christoph R. getan. Auch wenn der Bibelvers aus dem Johannesevangelium sicher auf Christus zu beziehen ist, steckt darin die Wahrheit, dass ein guter Hirte alles für seine Herde tun würde. Und was ist ein Hirte anderes als ein Wächter, ein Wachtmeister, der sich in den Dienst des Gemeinwesens stellt. Sterben hat Christoph R. nicht wollen, sicher nicht, aber er hat seinen Dienst bis zum Ende getan und dadurch Schlimmeres verhindert. Und damit war dieser Tod wahrlich nicht umsonst.

Aber es starb am Bahnhof nicht nur der Polizist, sondern auch der Mensch Christoph R.: Der vierfache Vater, der geliebte Freund, der Bruder, der geliebte Sohn. Dienst und Person gehören in unserem Land zusammen und sind nicht voneinander zu trennen. Da stecken doch Menschen in den Uniformen, Gott sei Dank. Wer Gewalt gegen einen Polizisten ausübt, muss bedenken, dass er die Hand gegebenenfalls gegen einen Familienvater, einen Bruder, und einen Sohn erhebt. Einen Menschen mit Träumen, Hoffnungen und Wünschen. Einen, der gerne nach Hause kommt. Der zu Hause seine Uniform an den Nagel hängt und seine Liebsten in den Arm nimmt. Der nach Feierabend gerne ein Bier trinkt, der versucht durchs Leben zu kommen, so gut es geht. Viel Arbeitet, damit man sich auch mal was leisten kann. Der auch den Kopf freikriegen will, von dem, was er tagtäglich auf Streife erlebt.

Christoph R. ist leidenschaftlich gerne Kipper gefahren. Das war neben der Familie sein Ausgleich. Er konnte schreiben wie gemalt, wusste Menschen sehr gut einzuschätzen und konnte durch seinen tiefgründigen Humor wahre Sprachakrobatik betreiben. Er war ein Mensch mit Leidenschaft und manchmal auch ein Hitzkopf. Einer, der auch Fehler macht, aber mal ehrlich, wer macht die nicht. Dabei war er ein versöhnlicher Mensch, der sich zu entschuldigen wusste, wenn er auf dem Holzweg war. Er hat sich für Eure kleine Familie, liebe Kristina, Zeit genommen. Vielleicht auch, um Versäumtes nachzuholen. Aber er war für Euch da. Und eigentlich wolltet ihr drei jetzt ganz woanders sein.

Eigentlich… „Eigentlich“ ist ein Wort, das es nachher immer besser weiß. Was würden wir alles tun, wenn wir wüssten, dass man sich das letzte Mal sieht. Was würden wir alles nicht tun, eigentlich. Wir sind Menschen, die lieben und die sich manchmal verletzten. Die Gutes Tun und manchmal über Ziel hinaus zielen. Was uns aber verbindet, das ist die Liebe. Die Liebe, die nicht an einem Grab endet.

Und das ist der zweite Trost, der ebenfalls im Bibelwort aus dem Johannesevangelium steckt: „Jesus Christus spricht: Die Meinen hören meine Stimme und sie folgen mir und ich gebe Ihnen das ewige Leben und sie werden nimmer mehr umkommen und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.“ Aus dem Leben wurde Christoph R. gerissen, aus der Hand Gottes nicht! Das schafft kein Gewalttäter, keine Schuld, weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes. Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn, so schreibt es der Apostel Paulus. So haben wir es vorgestern an Silvester an dieser Stelle gepredigt. Nicht als guten Vorsatz für das neue Jahr, sondern als Gewissheit, die uns Trost geben wird. Egal, was passiert ist, egal wie sehr wieder die Gewalt dieser Welt obsiegt, egal wie viele Tränen noch geweint werden, egal wie oft der Mensch noch des Menschen Feind ist, unser Gott weiß, was es heißt sein Leben zu lassen. Er weiß, was es heißt, zu leiden. Und weil er das weiß, ist er mit den Trauernden, mit den Müden und den Zerschlagenen. Und weil er das weiß, ist er mit dir, […]. Ist er mit Ihnen, liebe Familie R. und ist er mit uns.
Wenn Sie also nachher diese Kirche verlassen, dann nehmen Sie diese Tröstungen mit: Niemand lebt und stirbt umsonst, weil wir geliebte Kinder Gottes sind!

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.



Pfarrer Andree Best, evangelische Kirchengemeinde Herborn

Wer eins ist mit sich selbst, ist stark.
Aber wer ist das?

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