Sonntagsschutz
Ulrike Scherf: Schmerz und Leid haben Platz am Palmsonntag
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27.03.2015
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Der Flugzeugabsturz der Germanwings-Maschine, der Terroranschlag in Tunesien, getötete Menschen in Syrien und im Irak – die Nachrichten berichten täglich über unvorstellbares Leid und Schmerz. Und auch viele Menschen sind im privaten Umfeld mit Krankheit, Tod oder Beziehungskrisen konfrontiert. Ulrike Scherf, die Stellvertreterin des Kirchenpräsidenten, weist in einem Interview darauf hin, dass der Palmsonntag am 29. März und die Karwoche den Raum bieten, sich dem Schrecken zu stellen. Sie versichert: „Aus meiner Sicht ist es eine große Hilfe zu wissen, dass Gott dieses Leid nicht übersieht.“ Doch ausgerechnet am Palmsonntag sollen in Darmstadt Shopping-Erlebnisse in den Mittelpunkt gerückt werden, denn am 28. März ist ein verkaufsoffener Sonntag geplant.
Am nächsten Sonntag beginnt die Karwoche. Warum sollten wir uns mit Schmerz und Leid befassen?
Ulrike Scherf: Die aktuellen Ereignisse wie der Flugzeugabsturz in Südfrankreich zeigen, dass viele Menschen von Schmerz und Leid immer wieder bedroht und betroffen sind. Hier sind Menschen auf schreckliche Weise ums Leben gekommen und das geht eben an vielen Bürgerinnen und Bürgern nicht einfach vorbei. Als Kirche sagen wir, dass wir auch Räume und Zeiten brauchen, um uns diesen ernsten Erfahrungen zu widmen, weil sie zum Leben dazu gehören. Wir wollen Menschen, die davon betroffen sind, nicht alleine lassen. Der Palmsonntag lädt tatsächlich dazu ein, die ernsten Themen aufzugreifen und nicht ausgelassen zu feiern.
Welche Botschaft kann uns der Palmsonntag heute mit auf den Weg geben?
Ulrike Scherf: An Palmsonntag wird an den Einzug Jesu nach Jerusalem erinnert, damit beginnt die Karwoche. In diesen Tagen denken wir in besonderer Weise an das Leben und Sterben Jesu. Für Menschen, die heute von Leid betroffen sind, lautet die Botschaft: In ihrem Schmerz und Leid sind sie nicht allein gelassen. Aus meiner Sicht ist es eine große Hilfe zu wissen, dass Gott dieses Leid nicht übersieht. Gott selbst kennt diesen Schmerz und ist auch diesen Weg in das Leiden gegangen. Es ist aber auch wichtig, dass die Betroffenen spüren, dass andere Menschen an ihrer Seite stehen, sie unterstützen und für sie beten. Ich gehe davon aus, dass in vielen Gottesdiensten am Palmsonntag leidende Menschen, also auch diejenigen, die von dem Flugzeugabsturz betroffen sind, in die Fürbitten aufgenommen werden. Ich halte es für eine ganz wichtige Aufgabe, an sie zu denken und für sie zu beten.
Aber es braucht auch Ereignisse, bei denen Menschen wieder auftanken können und die Lust am Leben feiern. Erscheint Kirche nicht oft auch als Spaßbremse?
Ulrike Scherf: Mir ist grundsätzlich wichtig, dass wir als Kirche als diejenigen wahrgenommen werden, die den Spaß und die Freude über das Miteinander ermöglichen wollen. Mit unserem Einsatz für den freien Sonntag wollen wir Freiräume am Sonntag schaffen, in denen sich Menschen begegnen können. Denn viele Familien leben mittlerweile in ganz Deutschland verstreut und so haben sie die Gelegenheit, sich treffen zu können. Auch Freundeskreise haben es dann leichter, sich zu sehen. Wir engagieren uns, um diese Qualität des Miteinanders zu schützen.
Am nächsten Sonntag werden aber viele Verkäufer und Verkäuferinnen arbeiten, denn dann ist in Darmstadt ein verkaufsoffener Sonntag geplant. Was halten Sie von der Aktion der Allianz für den freien Sonntag? Mit einem Infostand mit Kreuz, Liegestühlen und Palmzweigen wollen sie ein Zeichen für den Sonntagsschutz setzen.
Ulrike Scherf: Ich finde sehr gut, dass die Allianz für den freien Sonntag aktiv wird. Der Hintergrund ist, dass es einen verkaufsoffenen Sonntag anlässlich einer Mobilitätsausstellung geben wird. Die Allianz wird darauf hinweisen, dass grundsätzlich am Sonntag die Geschäfte nicht geöffnet sein sollen – Ausnahme sind Ereignisse, die Besucher anziehen. In diesem Fall erscheint der Anlass als Alibiveranstaltung, damit man die Geschäfte öffnen kann. Die eigentliche Attraktion ist somit der verkaufsoffene Sonntag. Die Menschen werden in erster Linie zum Einkaufen kommen, von sich aus wird die Mobilitätsausstellung nicht so viele Besucher anziehen. Das steht nicht im Einklang mit dem hessischen Ladenöffnungsgesetz. Denn danach sind Ladenöffnungszeiten am Sonntag große Ausnahmen, die nur bei großen Veranstaltungen wie einem Stadtfest gelten. Ich finde es prima, dass das evangelische Dekanat und ihre Partner dafür sensibilisieren wollen.
Im November letzten Jahres hat das Bundesverwaltungsgericht ein Urteil gefällt, das der Sonntagsarbeit Grenzen setzt. Wie hat sich das Urteil aus Ihrer Sicht ausgewirkt?
Ulrike Scherf: Bisher haben wir vom Land Hessen nicht gehört, dass eine Revision der Bedarfsgewerbeverordnung gemäß der Vorgaben des Urteils in Arbeit ist. Das Bundesverwaltungsgericht hatte dem Land eine klare Hausaufgabe gegeben, nämlich genau diese Verordnung zu überarbeiten. Deshalb haben wir am Tag des freien Sonntags am 3. März öffentlich das Land darauf hingewiesen, dass wir erwarten, dass die Bedarfsgewerbeverordnung entsprechend verändert wird. Die grundlegende Thematik gibt es auch bei den Bedarfsgewerbeverordnungen in anderen Bundesländern, die überprüft werden müssten. Anstelle des Flickenteppichs unterschiedlichster Regelungen zur Sonntagarbeit in den Bundesländern fordern wir eine einheitliche Regelung auf Bundesebene. Es gibt zu viel Arbeit am Sonntag, die gesellschaftlich nicht notwendig ist. Das muss in einer veränderten Rechtlage ausgedrückt werden.