
© Peter Bongard
Kirchenpräsidentin Tietz: „Demokratie ist nicht nur eine Frage von Mehrheiten, sondern von Menschenrechten“
veröffentlicht 14.02.2025
von Peter Bernecker
Tietz appelliert an Wählerinnen und Wähler, bei der Wahlentscheidung hinter die Wahlkampfpolemik zu schauen.
Christiane Tietz, seit 1. Februar Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), blickt mit Zuversicht auf die Bundestagswahl am 23. Februar. Sie hofft darauf, dass in der Gesellschaft christliche Werte wie Nächstenliebe und Zusammenhalt grundlegend bleiben, und rät, bei der Wahlentscheidung hinter die Wahlkampfpolemik zu schauen.
Blick auf das Menschenbild der Bibel
„Als Kirche geben wir keine Wahlempfehlung ab. Aber ich bitte darum, hinter die Wahlkampfpolemik zu schauen und auf die Positionen der zur Wahl stehenden Parteien, auf die Folgen für unsere Gesellschaft und unsere Demokratie. Und dann zu entscheiden, welche Zukunft wir wollen. Mir ist es mit Blick auf das Menschenbild der Bibel wichtig, dass christliche Grundlagen auch in einem aufgeheizten Wahlkampf nicht vergessen gehen. So ist Demokratie nicht einfach eine Frage von Mehrheiten, sondern von Menschenwürde, von Minderheitenschutz und der Verantwortung für den Zusammenhalt einer Gesellschaft. Genau deshalb setzen wir uns als christliche Kirche in Hessen und Rheinland-Pfalz mit der Initiative „Für alle. Mit Herz und Verstand“ für die Demokratie ein.
Mit vielen anderen nehme ich derzeit deutlich wahr, wie stark versucht wird, Menschen Angst einzureden und die Gesellschaft auseinanderzutreiben. Ich hoffe darauf, dass es dennoch weiter gelingt, dass wir uns als Menschen wahrnehmen, dass wir uns in die Augen sehen – und darüber reden, wie wir unsere Zukunft nur gemeinsam gestalten können. Wachsamkeit empfehle ich vor allem mit Blick auf extremistische Parteien und ihre permanente Erzählung des Trennens und Zerreißens, ihre Angstmacherei und ihre Behauptung, dass sie alleine Deutschland retten können.
Keine Menschengruppen pauschal abwerten
Momentan herrschen viel Härte und Unmenschlichkeit – auch und gerade in der Debatte um den Umgang mit sozial schwachen Gruppen. Christinnen und Christen sind gewiss, dass für Gott jeder Mensch wertvoll ist. Ich bitte mit vielen Christinnen und Christen deshalb darum, dass nicht ganze Menschengruppen pauschal abgewertet werden. Gerade in der deutschen Geschichte haben wir erlebt, was aus einer Gesellschaft wird, die ganze Menschengruppen abwertet und ausgrenzt. Ich hoffe, wir besinnen uns wieder auf das, was unsere Gesellschaft seit Jahrzehnten stark macht: Nächstenliebe und Zusammenhalt. Das sind auch die zentralen Worte der ökumenischen Kampagne zur Bundestagswahl. Es sind christliche Grundwerte, die zum Fundament der deutschen Gesellschaft gehören. Konkret bedeuten sie, dass Menschen sich respektvoll begegnen, solidarisch sind mit Schwächeren und Nachsicht mit allen üben. Ich bin sicher: Wer sich auf Gemeinsamkeiten besinnt, ist stärker als der, der Angst und Hass säht.
Bibel sei Migrationsgeschichte
Auch das gehört zu den christlichen Grundüberzeugungen: Die Bibel ist zum Großteil eine Migrationsgeschichte. Sie spricht von Menschen, die aus ganz verschiedenen Gründen ihr Land verlassen und die in der Fremde gut oder schlecht behandelt werden. Als Christinnen und Christen sind wir angehalten, Menschen in Not zu helfen. Sicherlich müssen die Rahmenbedingungen so gesetzt sein, dass Einzelne nicht ungleich viel von dieser Last tragen. Aber ich bin überzeugt, dass sich Lösungen finden lassen, die die Menschenwürde achten.“
Das könnte dich auch interessieren

Jüdisches Neujahrsfest Rosch Haschana: Bräuche, Bedeutung und Erneuerung
Vom 22. bis 24. September 2025 feiern Jüdinnen und Juden weltweit Rosch Haschana – ein Fest des Neuanfangs, der Selbstprüfung und der Hoffnung. Ein besonderer Brauch lädt dazu ein, Belastendes symbolisch dem Wasser zu überlassen – und damit innerlich frei neu zu starten.

Erste Hilfe: Wissen, das Leben retten kann
Viele Menschen zögern, Erste Hilfe zu leisten – aus Angst, etwas falsch zu machen. Dabei ist unterlassene Hilfeleistung nicht nur strafbar, sondern auch vermeidbar. Die Johanniter ermutigen dazu, Sicherheit zu gewinnen: durch fundiertes Wissen, praktische Übungen und Kurse, die helfen, im Ernstfall richtig zu handeln. Denn aktive Hilfe ist tief in der christlichen Tradition verwurzelt.