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Reiner Braun veröffentlicht neues Buch „Historiolog“
veröffentlicht 16.05.2025
von Peter Bernecker
Pfarrer Dr. Reiner Braun aus Dautphe stellt in seinem neuen Buch eine Methode vor, mit der sich „evangelische Momente der Kirchengeschichte“ lebendig und nachvollziehbar vermitteln lassen.
Von Klaus Kordesch
Wie oft wünscht man sich, man wäre dabei gewesen, hätte einen einmalig bedeutsamen Moment der Geschichte live aus nächster Nähe miterleben können! Pfarrer Dr. Reiner Braun aus Daupthe geht das schon seit seiner Jugend so – und er hat mit dem Historiolog eine Methode erarbeitet, die das mit einer besonderen Herangehensweise an die Quellen wenigstens ein Stück weit möglich macht.
„Evangelische Momente der Kirchengeschichte nacherlebbar machen“ lautet der Untertitel des knapp 200 Seiten starken Buchs, das dieser Tage neu erschienen ist. Die Methode, um genau das zu erreichen, hat der Theologe zwar nicht selbst erfunden, aber auf Grundlage des sogenannten Bibliologs weiterentwickelt. Bibliologe hat Braun kennen- und liebengelernt, nachdem er 2013 das Amt des Lehrbeauftragten für Hessische Kirchengeschichte an der Gutenberg-Universität Mainz übernommen hat. „Dabei geht es darum, eine Gruppe gedanklich in die Zeit und in die Welt der Bibel mitzunehmen“, erläutert der begeisterte Historiker: Eine Bibelstelle wird vorgelesen, die Teilnehmenden übernehmen die Rolle eines der Protagonisten und beantworten aus dessen Sicht im Dialog Fragen zu der konkret geschilderten Situation – soweit in Kurzform die Methodik, die sich die Bibliologen im Rahmen eines Schulungskurses aneignen müssen.
Interaktives Quellenstudium
„Über den Bibliolog bin ich selbst zu neuen theologischen Erkenntnissen gekommen“, berichtet der Autor: „Auch meine Art zu predigen hat sich verändert.“ Schon früh sei in ihm die Hoffnung gekeimt, der Ansatz des Bibliologs könne sich auch auf kirchengeschichtliche Quellen übertragen lassen, schildert Braun in seinem neuen „Historiolog“-Werkbuch. Er begann, damit zu experimentieren; vor allem im Rahmen seiner Vorlesungstätigkeit an der Uni Mainz, die laut Ausschreibung explizit mit „Übungen“ verbunden war, was ihm sehr entgegenkam. Die Studierenden hätten sich größtenteils darauf eingelassen, sich „nicht einseitig und mit Distanz, sondern interaktiv mit den Quellen zu befassen“, erzählt der Hochschullehrer: „Die Quellen üben weniger aus theologischer als aus fachdidaktischer Sicht eine unüberbietbare Faszination aus“ schildert er, „das geht oft einher mit emotionalem Einfühlen in die Situation, um Nähe“. Zudem ließen sich bei dieser Arbeit mit den Quellen viele neue Aspekte entdecken.
Als Beispiel dafür nennt Braun die Heilige Elisabeth, die Landgräfin Elisabeth von Thüringen. Ein Historiolog zu dieser interessanten Persönlichkeit ist gleich zu Beginn des Werkbuchs als Transskript anhand einer Tonaufnahme dokumentiert, gleichsam als Beispiel und zur Nachahmung, zum Nacherleben empfohlen: „Wie fühlt sich das an, wenn einem die Landgräfin im 13. Jahrhundert die Füße wäscht?“, benennt Reiner Braun einen der besonders intensiven Momente im Historiolog. Für die Antworten der Teilnehmenden gibt es dabei ebensowenig ein „Richtig“ wie ein „Falsch“. „Alles ist in Ordnung“, sagt Braun zum Vorgehen: „Es geht einfach um intuitive Antworten aus der jeweiligen Rolle heraus.“ Dabei erheben übrigens nicht nur Personen die Stimme: Bei Elisabeth etwa kommt auch einer der von ihr unter den Armen verteilten Pfennige zu Wort.
Im Vergleich zum Bibliolog ordnet Braun in seinem Buch den Historiolog als aufwändiger ein, vor allem wegen der zumeist besseren Quellenlage beispielweise zu Dietrich Bonhoeffers „Von guten Mächten“ aus dem Jahr 1944 oder Sophie Scholl, zu der der Theologe erst nach Erscheinen seiner Veröffentlichung die Vorlage für einen Historiolog entwickelt hat. Andere Vorlagen im Buch haben beispielsweise Martin Niemöllers Predigt zur Konfirmation von 1934 und die Theologische Erklärung von Barmen zum Inhalt. Im Buch erfährt man darüber hinaus natürlich auch, wie man Quellen aussuchen und für einen Historiolog aufbereiten kann und welche Rollen und Fragen dazu sich anbieten.
Auf die Quellen kommt es an
Für Braun funktioniert die Methodik übrigens nicht für alle möglichen Personen und Situationen. Weder zu Martin Luther King noch etwa zu Ferdinand Schleiermacher, einem der führenden theologischen Denker des frühen 19. Jahrhunderts, hat er einen Historiolog erstellen können: „Ich weiß nicht, warum, und vermute, dass es nur mit Quellen funktioniert, die eine unmittelbare Relevanz zum Evangelium beinhalten“, überlegt der promovierte Kirchenhistoriker, dessen Frau Manuela Gücker-Braun den Satz des Buchs übernommen hat.
„Historiolog - Evangelische Momente der Kirchengeschichte nacherlebbar machen“
Gottesdienst-Institut der Evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern. Nürnberg 2025
ISBN 978-3-00-081553-9
12,50 Euro
Reiner Braun ist zum Vorstellen seines Buchs auch in Fachkreisen unterwegs, um den Historiolog bekannt zu machen: Ende des Monats will er die Methodik beim nächsten Internationalen Bibliolog-Kongress im Kloster Altenberg bei Leverkusen vorstellen; erste „Historiolog“-Fortbildungen hat der Theologe auch schon in Bayern gehalten. „Die sind vorzugsweise für schon Bibliolog-Ausgebildete gedacht“, sagt Braun. „Es gibt etwa 17000 Bibliologen weltweit“. Das Buch richtet sich an alle an Menschen mit Interesse für Kirchengeschichte, obwohl es auch Kapitel für die Fachwelt gibt: „Es ist ein Fachbuch, aber ein lesbares“, schmunzelt Braun, der außer den zehn Jahren Erfahrungen an der Universität die drei Monate seiner Studienzeit in das „Historiolog“-Buch hat einfließen lassen.
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Sarah Winkler seit einem Jahr als Referentin für Bildung tätig
Seit einem Jahr ist Sarah Winkler inzwischen als Referentin für Bildung und Leiterin der Regionalen Ehrenamtsakademie im Evangelischen Dekanat Kronberg tätig. Zuvor war sie zehn Jahre Dekanatsjugendreferentin. Im Interview berichtet sie von ihrem Arbeitsfeld.