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Die Rolle der Freund*innen
veröffentlicht 19.05.2025
von Martina Jakubek, Referentin für Alter und Generationen, Evang.-Luth. Kirche in Bayern, Nürnberg
Freunde sind jene Menschen, mit denen wir unsere Freizeit verbringen, unsere Sorgen teilen und die uns nicht selten durchs Leben begleiten. Verwandte dagegen sind Menschen, in deren Netz wir hineingeboren werden und auf die wir meistens auch ohne Gegenleistung bauen können. Beide bewahren uns vor Einsamkeit.
Über Freund*innen und Verwandtschaftsverhältnisse zur Vorbeugung vor Einsamkeit
Bis ins 17. Jahrhundert wurden Freunde vorrangig im Netz der Verwandtschaft gefunden. Mit einem Freundschaftsschwur besiegelt, dienten diese der gegenseitigen (auch materiellen) Absicherung.
Im 18. Jahrhundert erfuhren (Männer-)Freundschaften, die inzwischen über Standes- und Familiengrenzen hinweg gepflegt werden konnten, eine tiefgehende Emotionalisierung. Freunde wurden als Seelenverwandte verstanden, mit denen man Pferde stehlen und durch dick und dünn gehen kann.
Ohne enge Freunde leben die meisten Menschen
Heute geben die meisten Menschen in Deutschland an, ohne enge Freunde zu leben. Einer der Gründe liegt darin, dass Freundschaften nicht länger für die Daseinsvorsorge gebraucht werden. Freundschaften sind frei gewählt, beruhen auf Sympathie, Zuneigung und Vertrauen und tragen dazu bei sich wohlzufühlen.
Ein anderer Grund für den Rückgang verlässlicher Freundschaften liegt in unserer Lebensweise. Die modernen, freiwilligen Beziehungen sind fragile Gebilde. Veränderungen in der eigenen Biografie oder in den Lebenswelten der Freunde belasten sie ebenso wie die Schnelllebigkeit unserer Gesellschaft.
Manche Menschen schreiben es sich selbst zu, wenn sie wenige Freundschaften haben oder diese nicht auf Dauer halten können. Sie übersehen dabei, dass wir Freundschaften noch immer an dem hohen Ideal aus vergangenen Zeiten messen.
„Die Zahl der Verwandten, die ein Mensch hat, wird in naher Zukunft voraussichtlich weltweit um mehr als 35 Prozent abnehmen.“
Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock
Versorgung liegt in der Hand der Familie
Im hohen Alter liegt die Versorgung der Menschen bis heute in der Hand der Familie und Verwandtschaft. Angesichts des demografischen Wandels werden diese Sorge-Arrangements brüchig. Politik und weite Kreise der Gesellschaft setzen nun auf Freundschaftsnetze als Alternative.
Bis zu einem gewissen Grad ist dieser Gedankengang durchaus berechtigt. Ein einziger guter Freund, eine einzige gute Freundin im Alter kann ausreichen, um die Einsamkeitsbelastung um die Hälfte zu senken.
Freunde verhindern Einsamkeit, sind jedoch keine Unterstützung bei der Pflege
Dreht es sich jedoch um Pflegebedürftigkeit, sind Freunde keine nennenswerte Unterstützung. Gründe sind, dass sie nicht im gleichen Haushalt wohnen und oft nicht mal um die Ecke. Zudem sind sie fast immer im gleichen Alter. Untersuchungen zeigen, dass nur wesentlich jüngere Freunde echte Sorgearbeit für die ältere Freundin, den älteren Freund übernehmen. Spätestens bei körperlicher Pflege kommt eine beidseitige Intimitäts- und Schamschwelle hinzu.
Freunde zu haben ist wunderbar. Sie bieten Geborgenheit, Anregung und beflügeln. Und sie verhindern Einsamkeit. Da ist es mehr als wert, sich um gute Beziehungen zu bemühen. Aber als Lösung für das gesellschaftliche Problem der Pflege taugen Freundschaften nicht.

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