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Werkstätten Feministische Theologie
veröffentlicht 03.11.2025
von Britta Jagusch
Die Werkstätten Feministische Theologie ermöglichten die Suche nach eigenen Formen der Spiritualität und die Auseinandersetzung mit der patriarchalischen Theologie. Frauen erlebten die feministisch theologischen Bibelarbeiten als große Befreiung und fanden neue Wege in die christliche Tradition.
Die Anfänge
Erste Anregungen für eine Feministische Frauenwerkstatt in der EKHN kamen von Frauen, die in der Akademie Bad Boll die ersten Frauenwerkstätten in der EKD durchgeführt hatten. Die ersten beiden Werkstätten in der EKHN fanden in Trägerschaft der damaligen Gemeindeberatung bzw. der Evangelischen Akademie Arnoldshain statt. Gründerinnen waren u. a. Eva Renate Schmidt, Ute Knie und Hella Spitta. 1985 übernahm das Evangelische Pfarramt für Frauenarbeit in Frankfurt unter der Leitung von Pfarrerin Helga Engler-Heidle die Trägerschaft.

LilithBecker/evangelisch.de
Empowerment von Frauen
Eine ehrenamtliche Vorbereitungsgruppe (Beirat) von sechs bis acht Frauen erarbeitete gemeinsam mit einer Pfarrerin das Thema und die Gestaltung der nächsten Frauenwerkstatt. Unverzichtbar war die gemeinsame Leitung im Team. Rund drei Jahre arbeiteten die Frauen ehrenamtlich mit und bildeten sich soweit fort, dass sie selbst die Leitung einer großen Tagung übernehmen konnten. Immer wieder kamen neue Frauen dazu, auch eine Kinderbetreuung wurde angeboten, um auch Müttern die Teilnahme zu ermöglichen.

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Befreiung aus unterdrückenden Strukturen
Kamen am Anfang bis zu 120 Frauen, so waren es in den folgenden Jahren durchschnittlich 80 Teilnehmerinnen, die an den Werkstätten in Mauloff im Taunus teilnahmen. Frauen unterschiedlichen Alters, aus verschiedenen Berufsgruppen und Bildungsschichten und mit zahlreichen Lebensentwürfen trafen sich für ein Wochenende zur inhaltlichen Fortbildung in feministisch-theologischen Themen und zu erfahrungsbezogenen Gruppenarbeiten.
Immer wieder kamen neue Frauen dazu, 1996 waren die Hälfte der Teilnehmerinnen das erste Mal dabei. Viele Frauen erlebten die Frauenwerkstatt als einen Ort der Befreiung aus frauenunterdrückenden Strukturen im privaten wie im öffentlichen Umfeld. Manche Frauen waren aktiv in ihrer Ortsgemeinde, viele hatten aber auch ein eher distanziertes Verhältnis zur Kirche.

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Suche nach eigenen Formen der Spiritualität
Allen gemeinsam war die Suche nach einer Auseinandersetzung mit der patriarchalischen Theologie und die Suche nach eigenen Formen der Spiritualität. Sie erlebten die feministisch-theologischen Bibelarbeiten als große Befreiung und fanden neue Wege in die christliche Tradition, die sie bisher eher unterdrückend erlebt hatten.
Jedes Treffen stand unter einem Thema, das die vorbereitenden Frauen aussuchten. Ein feministisch-theologischer Vortrag einer bekannten Theologin stand am Anfang jeder Tagung. Selbstverständlich gehörten Morgen- und Abendgebete und ein gemeinsam vorbereiteter Gottesdienst am Sonntag zum Ablauf und ebenso ein festlicher Abend.

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Erste Frauenwerkstatt 1983
In der ersten Frauenwerkstatt 1983 beschäftigten sich die Frauen sehr stark mit der drohenden Stationierung der Mittelstreckenraketen. Sie verfassten einen Brief an die Kirchenleitung der EKHN mit der Aufforderung, sich für Abrüstung, Frieden und Gerechtigkeit einzusetzen. Es folgte ein Widerstandtag mit 40 Frauen und Kindern bei der Kirchenleitung in Darmstadt. Nach dieser Aktion kam es zur Gründung der Initiativgruppe Frauen-Frieden.
Frauen aus dieser Gruppe und anderen Netzwerken der EKHN nahmen in den nächsten Jahren regelmäßig teil an den Frauenwerkstätten und brachten ihre Themen ein. Im Plenum der Frauenwerkstatt erfuhren sie Unterstützung. Es folgten Aktionen, Pressemeldungen, Briefe an die Kirchenleitung und Synode. Gefordert wurde die Einrichtung einer Friedenspfarrstelle und einer Arbeitsstelle Frauen, die sich für die Gleichstellung von Frauen und Männern im Haupt- und Ehrenamt einsetzen sollte.
Erste Frauenanhörung
Weitere Themen waren die frauengerechte Sprache und die Feministische Theologie und Spiritualität. Nach vielen Gesprächen der Gruppe Frauen-Frieden mit der Kirchenleitung und einer intensiven Vorbereitung, an der viele Frauen der Basis mitgearbeitet haben, kam es zur Ersten Frauenanhörung 1986 in Darmstadt. Dort wurden die von den Frauen geforderten Veränderungen der Kirchenleitung vorgetragen und in den nächsten Jahren Schritt für Schritt durchgesetzt.

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Eine besondere Frauensolidarität
Eine besondere Einladung nahmen auch die Pfarrerinnen aus dem Frauengefängnis an, sie kamen mit den Inhaftierten des Frankfurter Frauengefängnisses zur Frauen-Werkstatt. Die inhaftierten Frauen konnten sich so eine Wochenende frei in der Frauenwerkstatt bewegen, gemeinsam mit anderen Frauen arbeiten und feiern und Solidariät unter Frauen erfahren, die sich sonst nicht begegnet wären. Aus dieser Aktion heraus entstand die Initiative, dass eine Gruppe aus dem Frauengefängnis einmal im Jahr in der Alten Nikolaikirche in Frankfurt einen Frauengottesdienst gestaltet.

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Vieles wurde erreicht
Von 1983 bis 2001 fanden die Werkstätten Feministischer Theologie jährlich statt. Im Zeitraum von 18 Jahren nahmen rund 3.000 Frauen an den Werkstätten teil. Sie arbeiteten ehrenamtlich mit, engagierten sich thematisch und konnten viel in der EKHN bewegen. Eli Wolf und Karin Böhmer führten im Anschluss an die Werkstätten jeweils zweijährige Langzeitfortbildungen Feministische Theologie durch, forschten und experimentierten und verknüpften Feministische Liturgie mit Feministischer Theologie.

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Nicht mitmeinen, sondern mitsprechen!
Frauen forderten eine gerechte Sprache. Auch die Bibel wurde in geschlechtergerechter Sprache übersetzt und ein bundesweiter Erfolg.
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