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Unheilig durch Schuld?
veröffentlicht 14.02.2025
von Martin Faber, Gefängnisseelsorger in der JVA Weiterstadt
UNHEILIG – das war doch die Band des Grafen. Seine Lieder über Gott, das Leben, den Himmel über mir, und die Freiheit beschreiben nichts Unheiliges.
„…Alles, was ich bin, und jeder Gedanke ist von dir. Und bei allem was ich tue, bist du immer bei mir. Du bist der Himmel über mir…“
Wo jemand Unheil angerichtet hat, wird schuldig?!
Manchmal sagen wir „der ist kein Heiliger“, wenn es um jemanden geht, der „über die Stränge geschlagen ist“. Der hatte sich getraut, was nicht ganz astrein war – was sich kaum ein anderer getraut hätte. Manchmal wird ihm sogar heimliche Bewunderung statt öffentlicher Verachtung oder gar Strafe zuteil. Ist so jemand unheilig? Wir sind doch Kinder Gottes, tragen den göttlichen Kern in uns, sind so schon immer heilig. Müssen wir uns das Attribut verdienen vor Gott?
Im Brief an die Gemeinde in Korinth schreibt Paulus an die Heiligen in Christus Jesus. Unter diesen Heiligen herrschte Streit, Unzucht, Überheblichkeit. Das alles fand der Apostel Paulus schlecht. Dennoch bezeichnete er die Mitglieder der Gemeinde weiter als Heilige. Die sind nicht unfehlbar, nicht „frei von Sünd und Schuld“ – niemand von uns. Die begonnene Steinigung einer verurteilten Frau unterbrach Jesus mit dem Satz: Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.
Wer UNHEIL anrichtet, der ist böse, fern von Gott, UNHEILIG.
Ge- und verurteilt wird, wo Menschen anderen Schaden zufügen, wo die einen denken, andere seien gefährlich, wo jemand (zer-)störend ins Zusammenleben eingegriffen hat, wo jemand Unheil angerichtet hat, schuldig wird. Da wird eine Strafe ausgesprochen, die manchmal im Gefängnis verbüßt werden muss. In den 16 Gefängnissen Hessens verbüßen 4608 Menschen eine Strafe oder warten in Untersuchungshaft auf ein Urteil, das die Schuld in Monate oder Jahre hinter Gittern umrechnet. Auch außerhalb der Gefängnisse leben Menschen, die für Unheil verantwortlich sind. Aber innerhalb leben die, deren Schuld festgestellt wurde und vor denen man sich nun eine Zeitlang sicher glaubt. Die nennt man Mörder, Räuber, Diebe, Einbrecher und Betrüger als wäre es das einzige, was sie ausmacht. Die, die einmal Opfer geworden sind oder solche kennen, stimmen zu. Die Tat hat so großes Leid erzeugt, dass die Täter dafür büßen sollen. Diejenigen, die solches Unheil fürchten, fällen oft das härtere Urteil: Wer UNHEIL anrichtet, der ist böse, fern von Gott, UNHEILIG.
Wäre dieses Urteil wahr, dann stünde es schlecht um uns. Schuld ist nicht immer eine individuell zurechenbare Kategorie. Nicht nur einzelne können schuldig werden. Ganze Gesellschaften in einem Teil der Welt verbrauchen Ressourcen, die für andere das Notwendigste zum Leben darstellen. Seit uns die ungleiche Verteilung von Wohlstand und Frieden in Flüchtlingsströmen ganz nahe kommt, wird diese Schuld deutlich sichtbar.
Für Gott gibt es „böse“ Taten, aber keine „bösen“ Menschen
„Richtet nicht, dann werdet auch ihr nicht gerichtet werden. Verurteilt nicht, dann werdet auch ihr nicht verurteilt werden. Erlasst einander die Schuld, dann wird auch euch die Schuld erlassen werden.“
Lukas 6
„Unheilig durch Schuld“ - NEIN. Durch Schuld allein kann niemand unheilig werden. … Kein Mensch darf einem anderen dieses Urteil anheften.
Zu beurteilen, wer Gott nahe ist, also heilig - oder nicht, also unheilig, steht niemandem zu. Im letzten Gericht wird danach beurteilt: ich bin im Gefängnis gewesen und ihr habt mich besucht – oder aber nicht besucht. (Matthäus 28).
Vom Monster zum Menschen
Innerhalb oder außerhalb der Gefängnisse gilt: für Gott gibt es „böse“ Taten, die das Leben von Menschen zerstören, aber keine „bösen“ Menschen. Vor Jahren besuchten die Synodalen der EKHN die Seelsorgenden in den Gefängnissen. Eine fasste danach ihre Erfahrung mit inhaftierten Menschen zusammen: wenn man über sie liest, sind es Monster; wenn man ihnen begegnet, sind es Menschen.
Als Seelsorger der Wiesbadener Jugendstrafanstalt begleitete ich einmal einen jungen Mann islamischen Glaubens zu einem Gemeindepfarrer, in dessen Kirche er einen Opferstock ausgeraubt hatte. Dafür war der junge Mann zwar nicht verurteilt worden, aber er hatte während seiner Haftzeit entschieden, dies wieder gut zu machen und brachte einen nicht unbeträchtlichen Teil seines dort angesparten Geldes persönlich dem Pfarrer und bat um Entschuldigung.

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