Evangelische Kirche in Hessen und Nassau
Pfarrerin Ulrike Scherf, Stellvertretende Kirchenpräsidentin der EKHN

© Peter Bongard

Pfarrerin Ulrike Scherf, Stellvertretende Kirchenpräsidentin der EKHN

Ulrike Scherf über Führungsverantwortung – und was Kirche anders macht

veröffentlicht 05.09.2025

von Rita Haering, RK

In herausfordernden Zeiten rückt die Rolle von Führungskräften besonders in den Fokus. Ulrike Scherf, Stellvertretende Kirchenpräsidentin der EKHN, spricht im Podcast darüber, welches Führungsverständnis in der Kirche gelebt wird – und welche Impulse daraus auch über den kirchlichen Kontext hinaus spannend sein können.

Demokratisch, werteorientiert und respektvoll: Ulrike Scherf, Stellvertretende Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), spricht im Podcast „S.P.E.L.L. Cast – lead long and prosper“ in der Episode vom 1. September 2025 über Führung in der Kirche. Sie war zu Gast bei den drei erfahrenen Führungskräften und Podcaster:innen Sabine Schmittroth, Achim Plückebaum und Hans-Joachim Spreng. In dem Gespräch betont Ulrike Scherf, wie wichtig es ist, andere Menschen aktiv und wirksam in Entscheidungsprozesse einzubeziehen.

Führung als geteilte Verantwortung

Ulrike Scherf hebt hervor, dass es in der EKHN keine Bischöfin gebe, sondern eine Kirchenpräsidentin – und das aus gutem Grund. Die Struktur geht zurück auf die Bekennende Kirche, die sich gegen den Nationalsozialismus stellte. Seitdem gilt: Macht wird geteilt, nicht konzentriert. Ulrike Scherf erlebt: „Führung ist für mich kein Einzelkampf, sondern ein gemeinsamer Prozess.“ Denn Entscheidungen innerhalb der Kirche entstehen in Gremien, im Dialog, mit Respekt vor unterschiedlichen Perspektiven.

Werte als Kompass – nicht nur für Gläubige

Was bedeutet Führung in der Kirche – und was lässt sich daraus lernen? Ulrike Scherf gibt Einblicke in ein Führungsverständnis, das im christlichen Menschenbild gründet und auf Respekt, Beteiligung und Transparenz setzt. Gerade in komplexen und unklaren Situationen sei ein „Grundgerüst an Werten etwas absolut Hilfreiches, was mir dann Orientierung gibt.“ Kann dieses Prinzip auch in anderen Organisationen und Unternehmen angewendet werden? Sie geht davon aus, dass sich diese Haltung auch auf andere Personen übertragen lässt, die den christlichen „Glauben nicht teilen, aber doch Grundwerte haben.“ Wer sich an Werten orientiert, hat einen Kompass und vermittelt Verlässlichkeit und Vertrauen. Dabei ist Ulrike Scherf auch wichtig, ihre Entscheidungen professionell zu reflektieren: „Seit ich Leitungsverantwortung habe, nehme ich regelmäßig Supervision in Anspruch.“ So könne ihr jemand eine qualifizierte Rückmeldung geben.

Transformation braucht Beteiligung

Die Kirche steht – wie viele Organisationen – vor tiefgreifenden Veränderungen: weniger Ressourcen, struktureller Umbau, neue Formen der Gemeinschaft. Scherf berichtet von „neuen Formaten, um Menschen zu erreichen“, von Tauf-Festen am See, spontanen Segensaktionen und neuen Teamstrukturen in der Verkündigung. Die Lenkungsgruppe für den Reformprozess ekhn2030 sei so zusammengesetzt, „dass alle Ebenen unserer Kirche vertreten sind, also eben nicht nur Kirchenleitende oder Synodale, sondern auch die mittlere Ebene sowie die Gemeinden oder Nachbarschaftsräume“. Der Schlüssel liegt laut Scherf in der Beteiligung auf allen Ebenen und von Haupt- wie Ehrenamtlichen.

Und dass die Kirche in ihrer demokratischen Verfasstheit handlungs- und gestaltungsfähig sei, zeigten die Entscheidungen für Veränderungen, die bereits getroffen seien und umgesetzt würden.

Kraftquellen im Führungsalltag

Was hilft, wenn die Verantwortung schwer wird? Für Scherf sind es Rituale, Reflexion und das Friedensgebet um 12 Uhr – mitten in der Synode, mitten im Diskurs. Eine Zäsur, die den Blick weitet und geistlich neu justiert. Sie berichtet: „Das tut gut – einfach mal kurz auszusteigen, an die Welt und das, was sie wirklich braucht, zu denken und dann wieder einzusteigen.“

Führen im Team

Ulrike Scherf ist als Stellvertretende Kirchenpräsidentin Teil der Leitungsspitze der EKHN. Die Hauptverantwortung liegt bei Kirchenpräsidentin Prof. Dr. Christiane Tietz. Mit ihr brauche es „ein gutes Commitment“, betont Ulrike Scherf – denn die Menschen sollen erleben, dass die Kirche in eine gemeinsame Richtung weiterentwickelt werde. In enger Abstimmung bringt sie ihre langjährige Erfahrung in theologischer Leitung und kirchlicher Transformation in zentrale Prozesse der Kirchenentwicklung ein.

Und wenn es Konflikte gibt? 

Gerade weil sich viele beteiligen und mitbestimmen: Auch in kirchlichen Entscheidungsprozessen gibt es unterschiedliche Interessen. In dem Podcast-Interview macht Ulrike Scherf deutlich, dass sie nicht auf einen autoritativen Führungsstil setzt. Wenn sie Widerstand wahrnimmt, plädiert sie zunächst fürs Zuhören. Auch wenn manche Prozesse schwierig seien: „Ich lerne immer wieder Neues, indem ich mich auf die Perspektiven anderer einlasse.“ So erfahre sie immer wieder von neuen Ideen, die alle gemeinsam weiterbringen. Sie vertraut darauf, dass am Ende „Neues und Gutes entstehen kann“.
Allerdings ist ihr auch bewusst, dass man in Leitungsverantwortung Macht innehabe. Sie erklärt, wie sie damit umgeht: „Ich finde es wichtig, das immer auch offenzulegen und transparent zu machen.“ Es sei ihr wichtig, Rückmeldungen zu hören, „damit sich Macht nicht verselbstständigt.“ In der EKHN sei Macht immer in Gremien eingebunden und werde kontrolliert.

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