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Der Adventskranz: Ein Gesteck mit bewegender Geschichte
veröffentlicht 28.11.2024
von Karin Tzschentke, Online-Redaktion der EKHN
Wenn die erste Kerze des Adventskranzes angezündet wird, beginnt ein ganz besonderer Moment. Der erste Adventskranz wurde 1839 im evangelischen Umfeld geschaffen und erfreute Kinder in einem Waisenhaus.
Es ist ein bewegendes Ritual, an den Sonntagen im Dezember eine weitere Kerze des Adventskranzes anzuzünden. Die dekorierten Gestecke schaffen eine einzigartige Atmosphäre im Advent und symbolisieren die christliche Lichtsymbolik: In die Dunkelheit wird an Weihnachten das Licht der Welt kommen. Als "Licht der Welt" hat sich Jesus bezeichnet, dessen Geburt an Weihnachten gefeiert wird.
Die spirituelle Bedeutung des Adventskranzes lässt sich mit aktuellen Bedürfnissen und Trends verbinden. Wenn beispielsweise die Zeit für das Binden eines Kranzes fehlt, kann man auch vier Kerzen in feuersicheren Untersetzern zwischen locker ausgelegten Zapfen auf einem Dekoteller arrangieren. Und jedes Jahr entstehen neue Ideen.
Der evangelische Erfinder
Der Brauch, die Wartezeit bis Weihnachten mit einem Adventskranz zu gestalten, entstand im 19. Jahrhundert. Der Erfinder des Adventskranzes war Johann Heinrich Wichern, der sich damals um vernachlässigte und verwaiste Kinder in der Einrichtung „Raues Haus“ in Hamburg-Horn kümmerte. Wichern gilt als Begründer der „Inneren Mission der Evangelischen Kirche“ – dem Vorläufer der heutigen Diakonie.
Im Jahr 1839 hängte Johann Heinrich Wichern den ersten Adventskranz im Betsaal auf dem Gelände des Rauen Hauses auf. Der heutige Vorsteher des Rauen Hauses, Pastor Dr. Andreas Theurich, erklärt die Absicht: „Wichern hatte die Idee, den Jugendlichen die Zeit bis Weihnachten `anschaulich´ zu verkürzen. Es fanden damals täglich Hausandachten statt und in diesem Rahmen ließ sich der Kranz mit den jeweils neu angezündeten Lichtern sehr gut einbinden.“
Riesige Dimensionen
Allerdings hatte der erste Adventskranz ganz andere Dimensionen als heutige Adventkränze: Er bestand aus einem Wagenrad und hatte für jeden Tag der Adventszeit eine Kerze. Je nach Lage des Weihnachtsfests im Jahreskalender wechselte die Anzahl der Kerzen. Wichern gestaltete den ursprünglichen Adventskranz mit vier großen, weißen Kerzen für die Adventssonntage und dazwischen 18 bis 24 kleinere, rote Kerzen – je nach Anzahl der Werktage bis zum 24. Dezember. Der Kranz war mit weißen Bändern umwunden und mit Tannenzapfen besteckt. Ab 1851 wurde der Überlieferung nach im Rauhen Haus der Holzreif erstmals mit grünen Tannenzweigen als Zeichen für das Leben geschmückt. Von Norddeutschland setzte sich der Adventskranz nach und nach in der evangelischen Kirche durch und fand allmählich auch seinen Weg in die heimischen Wohnzimmer – allerdings wesentlich kleiner und nur noch mit vier Kerzen für die Sonntage – bestückt. In einer katholischen Kirche hing der Adventskranz zum ersten Mal im Jahr 1925, und zwar in Köln.
Symbolkraft des Adventskranzes
Ein Adventskranz ist nicht nur stilvolle Dekoration, denn hinter den einzelnen Elementen steckt eine tiefere Bedeutung:
- Der Kranz: Da die Kreisform kein Anfang und kein Ende hat, steht der Kranz für Ewigkeit und Unendlichkeit.
- Das Tannengrün: Die grünen Nadelzweige stehen für Hoffnung, da sie auch bei Minustemperaturen ihre Funktionen aufrecht erhalten.
- Die 4 Kerzen: Die vier Kerzen können für die vier Himmelsrichtungen gedeutet werden.
- Das Anzünden einer weiteren Kerze: Die zunehmende Leuchtkraft symbolisiert die Erwartung an das immer näherkommende Weihnachtsfest, an dem die Geburt Jesu Christi gefeiert wird. Jesus selbst hat sich als „Licht der Welt" bezeichnet.
Johann Heinrich Wichern – ein innovativer Pädagoge mit großem Herzen
Im Oktober 1833 hatte der evangelische Theologe Johann Wichern (1808–1881) gemeinsam mit seiner verwitweten Mutter und einer seiner Schwestern vor den Toren der Hansestadt ein kleines Bauernhaus für vernachlässigte und verwaiste Kinder aus den Elendsvierteln der Stadt eingerichtet. Wichern verfolgte eine damals völlig neue pädagogische Idee: Seine „Zöglinge“ sollten nicht in einer der damals üblichen Erziehungskasernen aufwachsen, sondern in Familien von zehn bis zwölf Kindern (anfangs nur Jungen) mit einem Betreuer groß werden, der für sie mehr eine Art großer Bruder sein sollte. Jede Familie sollte ihr eigenes Haus bewohnen. So entstanden in den Folgejahren immer mehr Häuser auf dem Gelände um das Rauhe Haus, 1838 wurde ein „Bethaus“ errichtet.
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