Evangelische Kirche in Hessen und Nassau
Eine Frau steht auf einem Berg und schaut in die Ferne, sie hat dabei die Hand über den Augen gehalten

uzenzen/istock

Frauen in Führungspositionen, ein langer Weg zur Gleichstellung auch in der Kirche.
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Frauen in Leitung

veröffentlicht 07.07.2025

von Britta Jagusch

Die Leitung der Kirche war auch in der EKHN lange Zeit Männersache. Zwar wurden Frauen und Männer 1971 im Pfarramt gleichgestellt, doch erst in den 1980er Jahren übernahmen auch Frauen leitende Positionen im Ehren- und Hauptamt und prägten die Kirche zunehmend mit.

1980 wurde Waltraud Frodien innerhalb der EKD und in Europa zur ersten Dekanin in Frankfurt gewählt. Das Amt der stellvertretenden Präses übernahm 1986 erstmals eine Frau, Eva Renate Schmidt, 1987 wurde Pröpstin Helga Trösken EKD-weit die erste Regionalbischöfin.

1990 übernahm Esther Gebhardt als erste Chefin die Leitung des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt und blieb bis 2014 Vorstandsvorsitzende. 2002 übernahm Sigrid Bernhardt-Müller als erste Frau die Leitung der Kirchenverwaltung der EKHN und war für rund 270 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich auf mehr als 200 Stellen verteilten, zuständig.

Helga Trösken im schwarzen Kostüm mit weißem Kragen steht zwischen zwei Männern, die beide einen dunklen Anzug und Krawatten tragen.

privat

Als erste Pröpstin der EKD wurde Helga Trösken 1987 in ihr Amt berufen - hier mit Vorgänger Propst Dr. Dieter Trautwein (l.) und Kirchenpräsident Helmut Spengler.

Hürden und Helfer*innen

Frauen und auch Männer haben sich auf vielen Ebenen und in vielen Initiativen in der EKHN dafür eingesetzt, dass Frauen Leitung und damit auch Macht übernehmen konnten. Der Weg in die Führungsetagen war nicht immer leicht und mit manchen Hürden verbunden.

Sigrid Bernhardt-Müller lächelt ins Bild, von ihr sind nur der Kopf zu sehen, sie hat lockige Haare und trägt eine Brille

EKHN

2002 übernahm Sigrid Bernhardt-Müller als erste Frau die Leitung der Kirchenverwaltung der EKHN.

Frauen in Führungspositionen

Wie sich Rahmenbedingungen für Frauen in Führungspositionen im Laufe der Zeit verändert haben und welche Hürden sie selbst zu überwinden hatte, beschreibt die damalige Leiterin der Kirchenverwaltung, Sigrid Bernhardt-Müller 2005 in der letzten Veröffentlichung der Arbeitsstelle Frauen in der Kirche der EKHN „Bye, Bye und alles wird anders – oder?“:

Sowohl äußere als auch persönliche Rahmenbedingungen haben sich in meiner beruflichen Entwicklung verändert. Als ich meine erste Leitungsfunktion im Strafvollzug begann, gab es kein Gleichstellungsgesetz. Als einzige Frau unter 15 hessischen Anstaltsleitern waren die Bedingungen, unter denen ich meine Arbeit als Mutter eines kleinen Kindes schaffte, kein Thema. Das ist nach meiner Wahrnehmung bis heute so geblieben. Gleichstellungsgesetze beeinflussen Einstellungsquoten, aber kaum Arbeitsbedingungen. Wenn ich damals über Doppelbelastung stöhnte, kam die Antwort männlicher Vorgesetzter prompt: Sie sind doch freiwillig hier – oder? Gerettet hat mich in dieser ersten Leitungsfunktion eine persönliche Rahmenbedingung: Mein Mann war Lehrer, betreute also unseren Sohn nachmittags und in den Schulferien. Als er starb – unser Sohn war 13 -, war ich glücklicherweise nicht in einer Leitungsposition, sondern im Richteramt, in der die Rahmenbedingung Teilzeit möglich war.

Gleichstellungsgesetze und Frauenförderpläne

Als ich 1997 in die Geschäftsführung des Diakonischen Werks Württemberg berufen wurde, hatte kein Frauenförderplan den Ausschreibungstext beeinflusst. Anders war dies einige Jahre später bei meiner Bewerbung um die jetzige Position. Schon während der Durchsetzung von Gleichstellungsgesetzen und Frauenförderplänen vollzog sich schleichend als Veränderung äußerer Rahmenbedingungen die Beschleunigung aller Abläufe in der Arbeitswelt und in der gesamten Gesellschaft. Arbeitete ich als Anstaltsleiterin noch knapp 60 Stunden in der Woche, waren es als Geschäftsführerin in der Diakonie schon mehr als 60, und seit meiner Tätigkeit als Leiterin der Kirchenverwaltung erscheint mir eine 60-Stunden-Woche als Traumarbeitszeit. Die persönliche Rahmenbedingung, die mich in dieser Situation „rettet“, ist: Ich lebe allein, mein Sohn ist erwachsen und aus dem Haus. Alles richtet sich nach meiner beruflichen Aufgabe. Aber ich bin verantwortlich für vergleichbare Rahmenbedingungen meiner Mitarbeitenden.

Familienfreundliche und soziale Rahmenbedingungen

Die Beschleunigung ist Teil der Entsolidarisierung unserer Gesellschaft. Ich halte sie für die wesentliche Rahmenbedingung für Frauen wie auch für Männer in Führungspositionen heute – für die eigene Situation wie auch in der Verantwortung für die Mitarbeitenden. Sie relativiert alle Bemühungen der vergangenen Jahrzehnte um soziale und familienfreundliche Rahmenbedingungen. Wenige Menschen arbeiten über ihre Grenzen, viele sind arbeitslos. Ein Klima der Solidarität in der Gesellschaft und eine intensive Diskussion darüber in unserer Kirche über die Grenzen von Haupt- und Ehrenamt hinweg ist die Rahmenbedingung, die ich mir heute wünsche.

Verantwortung und Grenzen

Als ich während meiner Tätigkeit als Richterin aus Anlass einer akuten Krise meines Sohnes nach dem Tod meines Mannes um Entlastung von der Krankheitsvertretung einer Kollegin bat, wurde ich aufgefordert, mich krankschreiben zu lassen. Die Kollegen hätten für die Organisationslösung kein Verständnis. So durfte ich gar nicht arbeiten, obwohl ich wollte und die Kollegen wurden noch mehr belastet. Diese Rahmenbedingung kann ich bis heute nicht einordnen. Während ich der beschriebenen Vielfalt von Rahmenbedingungen unterlag, war ich stets verantwortlich für äußere Rahmenbedingungen der Beschäftigten in meinem jeweiligen Verantwortungsbereich.

Kind oder Karriere?

Für die Rahmenbedingungen der Beschäftigten in meinem Verantwortungsbereich bin ich verantwortlich, auch wenn ich die Fülle der Arbeitsaufträge aus dem synodalen Raum angesichts extrem veränderter finanzieller Rahmenbedingungen nicht beeinflussen kann. Die Tatsache, dass viele junge Frauen, die in der Kirchenverwaltung arbeiten, keine Kinder haben, nehme ich mit einem unguten Gefühl als hilfreiche Rahmenbedingung an. Auf der anderen Seite erlebe ich, dass junge Frauen mit Kindern, die konsequent ihre Arbeitszeit einhalten, auch wenn die Arbeit liegenbleibt, Frauen mit älteren Kindern belasten, weil diese ihrerseits die liegenbleibende Arbeit übernehmen und zur Überschreitung ihrer Arbeitszeit unter Vernachlässigung ihrer Familien genötigt werden. Ich fühle aus der eigenen Erfahrung mit, wie sie sich teilen, kann ihnen nicht helfen und bin doch verantwortlich.

Gleichstellungsatlas der EKD

Eine gerechte Gemeinschaft von Frauen und Männern – dieses Ziel rief die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland 1989 auf ihrer Tagung in Bad Krozingen aus. Damit war der Grundstein für eine aktive kirchliche Gleichstellungsarbeit gelegt, in den einzelnen Landeskirchen wie auf EKD-Ebene. 2015 erschien mit dem „Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der evangelischen Kirche in Deutschland“ eine erste, umfassende Bestandsaufnahme zur Repräsentanz der Geschlechter im kirchlichen Leben. 2025 folgte eine aktualisierte Fassung. 

Der „2. Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der evangelischen Kirche“ nimmt die Geschlechterverhältnisse unter folgenden Schwerpunkten in den Blick:  
•    Das kirchliche Leben 
•    Wer leitet die Kirche?
•    Kirche als Arbeitgeberin

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