Evangelische Kirche in Hessen und Nassau
Statue von Paul Gerhardt.

Doris Antony

Paul Gerhardt, Denkmal Mittenwalde
  • Musik

Paul Gerhardt

veröffentlicht 17.07.2023

von Traudi Schlitt

Paul Gerhardt lebte von 1607 bis 1676. Obwohl diese Zeit lange zurückliegt, lebt Gerhardt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Dichter von Kirchenlieder bis heute in seinen Werken fort. Seine Lieder sind tief religiösen Charakters und typischer Ausdruck jener religiös geprägten Periode. Wir stellen euch diesen Mann und sein Leben vor.

Liedverse, die bis heute aktuell sind

Das Lied „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ (EGG, Nr. 503) hat schon so mancher gesungen. Die Bedeutung des Dichters Paul Gerhardts spiegelt sich auch im Gesangbuch der EKHN wider.

27 von Paul Gerhardts Liedern stehen heute noch im Evangelischen Gesangbuch, sechs im katholischen „Gotteslob“. Gerhardt hat seine engere Heimat Kursachsen und Brandenburg nie verlassen. Seine Lieder aber werden heute in aller Welt gesungen.

Geh aus, mein Herz, und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben; schau an der schönen Gärten Zier und siehe, wie sie mir und dir sich ausgeschmücket haben.

Evangelisches Gesangbuch 503, Vers 1

... als der Krieg zu Ende ging

Wir schreiben das Jahr 1648: Aus aller Herren Länder zieht Soldateska durch die deutschen Lande, plündert, brandschatzt, vergewaltigt und mordet. Millionen Menschen gehen elend zugrunde, aus Dörfern werden Ruinenlandschaften. Dreißig Jahre dauert das Grauen. Frieden gibt es erst, als das Land ausgeblutet und verwüstet ist und ganze Landstriche menschenleer sind. Noch für viele Jahre bleibt die Not. Und lange dauert es auch, bis die Menschen beginnen, zaghaft wieder Hoffnung zu schöpfen.

Das scheinbar harmlose und liebliche Sommerlied stammt aus eben jenem Jahr, als der große Krieg zu Ende geht. Dichter ist der noch unbekannte Berliner Theologe und Hauslehrer Paul Gerhardt, 41 Jahre alt, ohne Examen und mangels einer sicheren Existenz auch immer noch unverheiratet.

Bei genauerem Hinsehen ist das Lied keineswegs harmlos. Mit sicherem Gefühl für Sprache und Versmaß entfaltet Paul Gerhardt einen Bilderbogen der verschwenderischen Sommerfülle in der Natur als ein Gleichnis für die Güte Gottes, der seine Menschen nicht verlässt. Und alle Schönheit der Natur ist für ihn nur eine Vorstufe der Herrlichkeit, die den Glaubenden einst im Himmel erwartet. Ein Trostlied in schwerer Zeit, zu singen gegen alle Ängste und Hoffnungslosigkeiten.

Bereits ein Jahr vor Kriegsende sind in einem Berliner Gesangbuch die ersten 18 Lieder Gerhardts erschienen. Weitere folgen in kurzem Abstand, insgesamt 139 „Klassiker“ des Kirchenlieds. Auch nach 350 Jahren haben sie ihren bilderreichen, tröstenden Grundton nicht verloren.

Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt. Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.

Evangelisches Gesangbuch 58, Vers 2 und 3

Trotzdem

Erst 1651 erhält Paul Gerhardt, als Theologe und Liederdichter inzwischen weit bekannt, seine erste Pfarrstelle in Mittenwalde und kann 1655, mit 48 Jahren, endlich heiraten. Aber schon seine erste Tochter stirbt nach einem Jahr. 1657 kehrt er als Pfarrer an die Berliner Nikolaikirche zurück, aber auch dort nehmen die Schicksalsschläge kein Ende. Nur eines seiner fünf Kinder überlebt die ersten Monate. Paul Gerhardt kennt den furchtbaren Schmerz, ein geliebtes Kind zu verlieren. Auch seine Frau stirbt 1667 nach zwölf Jahren Ehe und der 61-jährige Witwer steht mit seinem einzigen, fünfeinhalbjährigen Sohn alleine da – und hat wegen theologischer Streitigkeiten auch noch seine Stelle verloren.

Ist Gott für mich, so trete gleich alles wider mich; sooft ich ruf und bete, weicht alles hinter sich. Hab ich das Haupt zum Freunde und bin geliebt bei Gott, was kann mir tun der Feinde und Widersacher Rott?

Evangelisches Gesangbuch 351, Vers 1

Gerhardt mitten im Glaubenskampf

Aus heutiger Sicht ist schwer zu verstehen, welchen Streit Paul Gerhardt als strenger Lutheraner in Berlin führt, der dann seine Amtsenthebung zur Folge hat. Zwei reformatorische Bewegungen, Lutheraner und Calvinisten, bekämpfen sich heftig und beim konfessionellen Abwatschen von der Kanzel ist auch Gerhardt nicht kleinlich. Der brandenburgische Kurfürst findet das zunehmend ärgerlich, denn beim wirtschaftlichen Aufschwung seines Landes helfen besonders Glaubensflüchtlinge aus Frankreich, die Hugenotten. Und die sind calvinistischen Glaubens. Vergebens verlangt der Kurfürst in mehreren Edikten von den Lutheranern Zurückhaltung. Paul Gerhardt hält es für seine Pflicht, gegen die „Irrlehren“ zu Felde zu ziehen. Was kümmern ihn Politik und Wirtschaft? Aber der Kurfürst setzt sich durch. Gerhardt muss gehen.

Kreuz und Elende, das nimmt ein Ende; nach Meeresbrausen und Windessausen leuchtet der Sonnen gewünschtes Gesicht. Freude die Fülle und selige Stille wird mich erwarten im himmlischen Garten; dahin sind meine Gedanken gericht.

Evangelisches Gesangbuch 449, Vers 1

Bitte um "fröhliche Abfahrt"

Die letzten acht Jahre verlebt Paul Gerhardt als Pfarrer in Lübben im Spreewald. Aber seine Schaffenskraft ist dahin und der Dienst wird ihm zunehmend schwer. Wohl bald nach seinem 69. Geburtstag im März 1676 setzt er sein Testament auf, dankt darin Gott für alles „an Leib und Seele“ empfangene Gute, bittet ihn um „eine fröhliche Abfahrt“ und freut sich „am lieben Jüngsten Tage“ auf die Begegnung mit dem Auferstandenen und allen seinen Lieben. Ein Jahr später stirbt er, nach Zeugenaussagen getröstet mit der eigenen Liedstrophe:

Kann uns doch kein Tod nicht töten, sondern reißt unsern Geist aus viel tausend Nöten, schließt das Tor der bittern Leiden und macht Bahn, da man kann gehn zu Himmelsfreuden.

Evangelisches Gesangbuch 370, Vers 8

Ein Mann voller Gottvertrauen

Paul Gerhardt, der Mann, dessen Gottvertrauen Krieg und Leid nicht zerstören konnten, liegt vermutlich in der Nähe des Altars der Lübbener Kirche begraben. Die Kirche trägt seinen Namen. Vor 100 Jahren wurde vor der Kirche ein Standbild errichtet. Aber was ist das schon gegen seine Lieder?

Du meine Seele, singe, wohlauf und singe schön dem, welchem alle Dinge zu Dienst und Willen stehn. Ich will den Herren droben hier preisen auf der Erd; ich will ihn herzlich loben, solang ich leben werd.

Evangelisches Gesangbuch 302, Vers 1

Quellen

Online-Redaktion der EKHN

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