Evangelische Kirche in Hessen und Nassau

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  • Mut und Angst

Menschen zwischen Mut und Angst

veröffentlicht 16.12.2024

von Impulspost-Redaktion

Verschiedene Menschen berichten hier, wie sie mit ihren Ängsten umgehen, was ihnen dabei hilft, ihre Angst zu überwinden und welche Rolle ihr Glauben dabei spielt.

Porträts

Ängste gehören zum Leben. Sie mahnen zur Vorsicht und erhöhter Aufmerksamkeit. Ängste können Leben retten. Aber sie können auch außer Kontrolle geraten oder sogar krankhaft werden. Viele Menschen leiden unter ihren Ängsten. 

Thomas, Extremkletterer

Als Extremkletterer ist man besonderen Situationen ausgesetzt

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Als Extremkletterer ist man besonderen Situationen ausgesetzt. Da spielt Angst eine wichtige Rolle, Angst kann dein Freund sein oder dein Feind. Ich kenne Angst als ein mulmiges Gefühl, das aber beim Gehen oder Klettern verschwindet. Tut es das nicht, breche ich die Besteigung meist ab, es bewahrt mich vor einer Situation, für die ich noch nicht die Kompetenz besitze, auf die ich mich vielleicht nicht genug vorbereitet habe. Angst ist hier eine Art Schutzmechanismus, der mir sagt: Entscheide dich jetzt und mach keinen Fehler.

Angst als Warnung ist sinnvoll, sie darf aber nie überwältigen, sonst lähmt sie. Darum spreche ich lieber von Respekt, denn wenn ich wirklich Angst habe, dann kann ich gar nicht mehr losgehen

Auch nach meinem Absturz am Brendlberg, da bin ich 16 Meter im freien Fall die Felswand runter, haben mich viele gefragt, ob ich nicht Angst hätte, wieder zu klettern. Ich hatte eine Schädelfraktur und lag im Krankenhaus. Ich habe dieses Überleben dankend angenommen und dachte in keinem Moment ans Aufhören. Ich habe diese Verrücktheit in mir, die Begeisterung für das Unmögliche, ein Entdecker Gen, das mich antreibt. Ich möchte etwas tun, was eigentlich unmöglich erscheint und hier hat die Angst keinen Platz, auch nach dem Absturz nicht.

Nach vorne schauen

Ich habe hinterfragt, warum ich abgestürzt bin und erkannt, dass ich einen Fehler gemacht habe. Ich hoffe, dass ich diesen Fehler nicht nochmal machen werde, weil er mich das Leben kosten kann. Statt Angst zu haben, die mich am Klettern hindert, erfahre ich Klarheit und eine Dankbarkeit, dass ich noch am Leben bin. Dankbar, dass ich die Kraft habe, weiterzumachen.

Wir sollten uns weniger mit der Angst, was alles passieren kann, beschäftigen, sondern lieber nach vorne schauen und in das „Jetzt“ Energie legen. Beim Klettern geht es darum, mutig einen Schritt nach dem anderen zu gehen, das gilt auch für das Leben. Wer nur auf den Gipfel schaut, der bekommt vielleicht Angst, Angst davor überhaupt loszugehen, weil das Ziel so überwältigend wirkt. Auch im Leben fängt man immer von vorne an.

Ich hatte eine Nierentumorerkrankung, da wusste man erst nicht, wie es ausgehen wird. Aber statt mich mit einem möglichen Ableben zu beschäftigen, habe ich gesagt, heute lebe ich noch und mach das Beste daraus! Mach es wie beim Bergsteigen, gehe erst einmal den nächsten Schritt:  Ich blieb im Handeln, ließ mich von der Angst nicht lähmen. Ich habe in jedem meiner Schritte eine positive Energie gegeben und am Ende war das Glück an meiner Seite. Dieser Tumor war gutartig und diese Nachricht schenkte mir das Leben! Wieder einmal mehr war ich dankbar ein Leben als Familienvater, Ehemann und Bergsteiger leben zu dürfen!

Ich weiß, dass sich dort, wo ich klettere, viele unwohl fühlen würden. Das ist für Menschen, die nicht in der Senkrechten leben und denken, unfassbar. Das alles ist aber auch relativ! Für mich ist es unfassbar, als Top-Manager eine Firma zu leiten.

So macht jeder das, was seine Bestimmung ist. Und in diesem Bereich versucht man, seine Arbeit zu optimieren, das eigene Handeln zu hinterfragen und das Beste daraus zu entwickeln.

Ich will Mut machen, neue Wege einzuschlagen und Entdecker zu bleiben, das ist ein gutes Mittel gegen Angst. Meine Triebkraft ist die Neugier. Kraft und Mut gibt mir meine Familie, die Heimat und die Lebensfreude.

Im Guten auseinander gehen

Wir können so viel Schönes und Geniales tun im Leben, wenn wir uns trauen und immer etwas mehr wagen, wenn wir uns Herausforderungen stellen und immer wieder einen Schritt weiter gehen und „Ja sagen“ zum Leben.

Meine Familie hat Vertrauen zu mir, dass ich „Ja sage“ zum Leben, nicht leichtfertig bin. Aber bei allem weiß man nie, wie es ausgeht. Darum ist mir wichtig, dass man im Guten auseinandergeht, nicht im Ärger oder Groll.

Vor einem großen Bergabenteuer bete ich, das gibt mir Kraft und Vertrauen. Angst möchte ich nicht haben!

Regine, Seniorin

„Herr, mach‘s mit meinem Ende gut“

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Angst vor dem Tod habe ich nicht, aber vor dem Sterben habe ich schon Respekt, man weiß ja nicht wie das sein wird. Ich glaube, niemand möchte lange leiden oder Schmerzen haben und ich möchte auch meinen Kindern nicht zur Last fallen.

Aus diesem Grund mache ich öfter diesen Satz zu meinem Gebet, „Herr, mach‘s mit meinem Ende gut“.

Vielleicht kommt es doch ganz anders

Da kann man nur beten und wie es dann kommt, muss man es annehmen. Ich weiß aber auch, dass man sich nicht um ungelegte Eier Sorgen machen muss, denn vielleicht kommt es doch ganz anders. So nehme ich es aus Gottes Hand wie es kommt, jedenfalls will ich es versuchen, vorher ist man ja immer mutiger.

Was mir hilft, sich auf den Tod einzustellen ist, dass ich alles geregelt habe. Schon vor Jahren habe ich eine Sterbeversicherung abgeschlossen, eine Patientenverfügung und Betreuungsvollmacht hinterlegt. Außerdem habe ich einen Ordner vorbereitet, in dem alle nötigen Unterlagen abgeheftet sind. Auch meine Wünsche in Bezug auf Sarg, Grabstätte und Trauerfeier habe ich aufgeschrieben, den Predigttext und die Lieder ausgesucht.

Das alles geordnet zu wissen, beruhigt mich.

Mein Leben lang hat mich Gott begleitet, und auch jetzt hilft es mir, mit Gott im Gebet zu sprechen und in der Bibel zu lesen oder geistliche Musik zu hören. Mit Gott in Kontakt sein, ist eine unerschöpfliche Quelle. Ohne Nahrung können wir nicht leben und ohne Gottes Wort kann auch unser innerer Mensch nicht stabil und gesund sein.

Auch im Glauben mit anderen verbunden zu sein und Gemeinschaft zu erleben ist mir wichtig und tut mir gut.

Menschen, die Angst vor dem Tod haben, würde ich empfehlen, Bücher zu diesem Thema zu lesen. Es hilft, wenn man merkt, andere machen sich Gedanken über den Tod, die Ewigkeit und Auferstehung. Das gibt Vertrauen und Hoffnung.

Doch muss jeder seinen eigenen Weg finden, aber ich bin sicher, „… wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen, spricht der Herr“.

Loslassen

Und wenn die Angst kommt, dann kann ich überlegen, gebe ich der Angst Raum oder der Hoffnung und dem Vertrauen, da wäre ich töricht, wenn ich die Angst wähle.

Ich habe gelernt, im Gebet nicht darum zu bitten, wie dies oder das geschehen soll, sondern dass ich loslassen kann. „Gott, da gebe ich mich in deine Hand, du wirst das sicher gut machen.“ Und wenn ich mal allzu sehr um mich selbst kreise, versuche ich über den Tellerrand zu schauen und dankbar zu sein für das, was ich habe.

Luise, Schülerin

Mobbing ist ein Thema bei uns in der Schule

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Klar, Mobbing ist ein Thema bei uns in der Schule, das gibt es fast in allen Klassen. Ich glaube, das ist auch die größte Angst, gemobbt und ausgestoßen zu werden und allein dazustehen und dass die Freunde einen im Stich lassen. Bei uns in der Klasse gibt es zum Beispiel einen Jungen, der fertig gemacht wird von einem bestimmten Typ. Der beleidigt ihn, macht Witze über ihn, auch während des Unterrichts oder auf dem Weg zur Sporthalle. Der sucht sich immer jemanden raus, auf dem er rumhacken kann. Das soll dann wohl witzig sein, ist es aber nicht, sondern es ist verletzend.

Ich bin vorsichtig geworden

Damit ich nicht in seinen Blick gerate, passe ich auf, was ich sage. Ich bin vorsichtig geworden, denn ich möchte nicht Ziel seiner Attacken werden. Ich halte mich also eher zurück und werde auch nicht so schnell gemobbt. Bei einer Freundin von mir ist das anders, sie sagt, was sie denkt und erhält viele Hasskommentare. Da bin ich vorsichtiger. Meine Freundin macht ihr Ding, sie ist laut, lacht viel, aber ich glaube, sie überspielt damit auch ihre Verletzungen.

Es ist nicht leicht etwas gegen Mobbing zu tun. Wenn man zu auffällig ist, wird man zur Zielscheibe, ist man zu schüchtern, wird man zum Opfer. Jedenfalls beschäftigt einen das Thema schon auch, weil man sieht, was anderen passieren kann. Wir hatten einen Jungen, der so fertig gemacht, dass er weinend aus dem Klassenraum gerannt ist. Der hatte bestimmt Angst, wieder in die Schule zu gehen. Das ist ja auch peinlich, obwohl eigentlich die anderen schuld sind.

Lehrern anvertrauen

Wie man sich dagegen schützen kann? Ich glaube, das ist sehr schwer. Wichtig ist es, gute Freunde zu haben, die zu einem stehen. Aber man sollte sich auch den Lehrern anvertrauen. Anfangs haben viele das gar nicht so mitbekommen, wie ernst das ist. Heute mischen sich Lehrerinnen und Lehrer schon früher ein. Einmal hatten wir die Situation, dass ganz persönliche Bilder von einem Mädel ins Internet gestellt wurden. Die haben alle gesehen, ich glaube, das war ihr Ex-Freund mit dem sie Schluss gemacht hat. Das war auch ganz schön schlimm für das Mädchen. Da muss man auch sehr aufpassen, was man im Internet macht.

Ich überlege sehr genau, was ich poste und doch hat man manchmal ganz blöde Kommentare unter einem Post oder Bild. Das lösche ich dann meistens, wenn es zu krass ist. Es kommt aber auch drauf an, von wem das ist, manchmal ignoriere ich das auch, wenn es nicht so schlimm ist. Ansonsten kann man eigentlich nur versuchen, mit der Person, die gemobbt wird, zu sprechen, sie abzulenken, damit sie sich nicht so allein fühlt. Gut ist auch, wenn man sich traut mit dem Mobber zu reden, damit er aufhört. Und natürlich spreche ich mit meinen Freundinnen, die können einen am besten verstehen.

Christian

Brutal und überraschend aus der Firma gedrängt

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Vor ein paar Jahren bin ich ziemlich brutal und überraschend aus der Firma gedrängt worden, deren Teilhaber ich war. Das hat mich echt enttäuscht und irritiert, so richtig Angst hatte ich aber nicht, weil ich eine solche Situation schon mal erlebt habe, vor etwa 15 Jahren.

Das habe ich als totale Niederlage erlebt

Damals war ich bei einer großen Bank angestellt und ich bin dort gegen meinem Willen rauskatapultiert worden. Mit zwei kleinen Kindern, eins davon wurde noch gestillt, das war ein Schock. Wie soll es jetzt weitergehen, habe ich mich gefragt. Das war schon krass. Ich habe das als totale Niederlage erlebt, die mich sehr erschüttert hat. Nach und nach habe ich aber gemerkt, dass die Situation ihr Gutes hatte, denn ich war schon lange nicht mehr glücklich gewesen in der Firma.

Zum einen ist mir deutlich geworden, dass es diese angebliche Sicherheit nicht gibt, auch in großen Firmen nicht, zum anderen habe ich gemerkt, dass es gut ist, etwas Passendes für sich zu finden. Somit hat der Rausschmiss mir damals ermöglicht, einen neuen Weg einzuschlagen und eine eigene Firma zu gründen. Diese Erfahrung hat mich für die Zukunft gestärkt. Vielleicht bin ich auch deswegen heute so gelassen. Ich vertraue darauf, dass ich auch jetzt wieder etwas finde. Auch wenn der Bruch wieder von anderer Seite kam, versuche ich das Positive in der Situation zu sehen.

Was ich lernen musste, dass ich solche Situationen nicht als persönliches Versagen begreife, sondern als eine falsche Konstellation, damals habe ich in dem großen Konzern nicht funktioniert, diesmal war es eine Intrige, die mir die Beine weggetreten hat, das war sehr unschön. Aber vielleicht habe ich auch die Signale nicht frühzeitig erkannt, war zu passiv und habe die Entwicklung nicht verhindert. Jetzt bin ich fast erleichtert. Es wird Zeit, dass etwas Neues kommt. Natürlich kann ich auch finanziell beruhigter sein, weil meine Frau auch arbeitet. Zwei ökonomische Standbeine geben Sicherheit.

Nicht unterkriegen lassen

Gottvertrauen spielt aber auch eine Rolle. Durch die Kinder bin ich auch der Kirche wieder näher gekommen. Heute finde ich dort mehr Antworten als früher. Ich stehe irgendwie fester im Leben und im Glauben, das hat sich so ergeben, vielleicht auch durch meine Erfahrungen. Natürlich spielt auch Glück eine Rolle, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein, aber das kann man selbst ja nicht beeinflussen, man kann nur die Weichen stellen.

Mut machen möchte ich aber allen, die ihren Job verlieren, sich dadurch nicht unterkriegen zu lassen. Man sollte vielmehr schauen, wo man besser hinpasst, und das Ganze als Chance begreifen. Ich vertraue darauf, dass es für jeden und jede den richtigen Platz gibt.

Martina

Angst vor der politischen Entwicklung, die Rechtspopulisten immer mehr Stimmen schenkt

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Ich engagiere mich in der Flüchtlingshilfe, weil ich ein weltoffener Mensch bin und weil ich in einer gesicherten Situation lebe und andere Menschen dieses Privileg nicht haben. Sie fliehen aus Angst vor Hunger, Diktatur, Krieg und Unterdrückung, aus Armut und Hoffnungslosigkeit. Dass wir in einem sicheren Land leben, ist keine Selbstverständlichkeit.

Ich habe Angst, dass sich das ändern könnte. Ich habe Angst vor der politischen Entwicklung, die Rechtspopulisten immer mehr Stimmen schenkt und Emotionen gerade gegen Flüchtlinge und Ausländer schürt.

Stimmungsmache gegen andere muss aufhören

Ich wohne auf dem Land, im Nachbardorf ist die NPD sehr stark vertreten, auch das ängstigt mich. Ich war bei einer Veranstaltung, da ging es um die Zuweisung von Flüchtlingen nach Haiger, da saßen in der Reihe hinter mir alles Rechtsradikale, die nur rumgepöbelt haben, die haben kaum den Moderator zu Wort kommen lassen. Mir wird da Angst und Bange. Gleichzeitig macht es mich wütend, dass dies heute so wieder möglich ist. Ich war nur froh, dass mein Mann dabei war. Hier müssen wir auf der Hut sein, dass sich rechte Gesinnungen nicht weiter ausbreiten.

Ich möchte an das Gute im Menschen glauben und appelliere an den Verstand von Politikern, Kirchen und von Gesellschaft, dass sich das tot läuft, der Rechtsdrall. Die Stimmungsmache gegen andere muss aufhören, dafür bete ich.

Und ich möchte zu denen gehören, die aufstehen und sich wehren und sagen, da mach ich nicht mit. Aber es gibt zum Glück auch die andere Seite. In Dillenburg zum Beispiel haben wir in der Flüchtlingshilfe viel Toleranz und Unterstützung erlebt und auch in Haiger und in Herborn gibt es Kreise, die sich für geflohene Menschen einsetzen.

Begegnung schafft Vertrauen

Wir sind alle verantwortlich dafür, dass unsere Welt besser wird, jede und jeder kann etwas dazu beitragen und mit seinem Handeln etwas bewegen, Position beziehen. Sich mit Menschen zusammentun, die auch so denken, das hilft auch gegen die Angst.

Vor Gott sind alle Menschen gleich, das prägt meine Einstellung und das jeder Mensch, jedes Kind ein Recht hat auf Sicherheit, Freiheit und Bildung. Wer Angst vor Fremden hat, sollte Fremde zu Freunden machen. Begegnung schafft Vertrauen.

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