Evangelische Kirche in Hessen und Nassau
Eine junge Frau und ein junger Mann diskutieren über Pläne

© gettyimages, andrii zorii, Regierungspräsidium (RP) Darmstadt

Wie wird sich die Umsetzung des Regionalplans Südhessen und des Flächennutzungsplanes auf unser Leben auswirken? Darüber kann in einem festgelegten Zeitraum diskutiert werden.

Fragen zum Regionalplan Südhessen: Wer jetzt mitdenkt, gestaltet die Zukunft

veröffentlicht 29.10.2025

von Rita Haering

Mehr Wohnraum, neue Gewerbeflächen, Schutz für Klima und Gesundheit – der neue Regionalplan Südhessen bringt Bewegung in die Region. Doch wer mitreden will, muss jetzt aktiv werden. Zwei Fachleute aus dem Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN erklären in einem Interview sowie in einer Veranstaltung am 6. November, worum es geht – und wie Kirche zur demokratischen Mitgestaltung beitragen kann.

Digitale Informationsveranstaltung zur Neuaufstellung des Regionalplan

6. November 2025, 18 Uhr in Zoom:

mehr Informationen zur Info-Veranstaltung

Zoom-Link

Wie soll Südhessen in zehn Jahren aussehen? Der neue Regionalplan legt fest, wo gebaut werden darf – und wo besser nicht. Es geht um Wohnraum, Gewerbe, Landwirtschaft, Umwelt und Gesundheit. Besonders in Hitzeregionen wie dem Rhein-Main-Gebiet wirken sich Frischluftschneisen positiv auf die menschliche Gesundheit aus. Gleichzeitig braucht es dringend bezahlbare Wohnungen.

Die Pläne sind komplex, die Beteiligungsphase kurz. Wer sich jetzt einbringt, kann mitgestalten, statt später gegen fertige Bauvorhaben zu protestieren. Dr. Maren Heincke und Stefan Heinig vom Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN aus dem Referat Stadt- und Landentwicklung erklären, warum sich der Blick in die Pläne lohnt, wie Zielkonflikte konstruktiv gelöst werden können – und welche Rolle Kirche dabei spielt. Fragen dazu können während einer Zoom-Veranstaltung am 6. November gestellt werden.

Bestandteile der Planungsunterlagen: 

Bis zum 28.11.25 liegen die Pläne in Kommunen, Landkreisen sowie online aus.
Zu den Planungsunterlagen gehören:

  • Textteile mit Beschreibungen von Zielen und Grundsätzen der Planung, „Kommunale Steckbriefe“ etc.
  • Karten
  • Umweltberichte, die die Umweltfolgen der Planungen abschätzen

zu den Unterlagen

Warum ist die Regionalplanung für das Leben vieler Bürgerinnen und Bürger, unter denen sich auch viele Kirchenmitglieder der EKHN befinden, so wichtig?

Maren Heincke: Der Regionalplan bildet den Planungsrahmen für die zukünftige Entwicklung von Südhessen für die nächsten zehn bis 15 Jahre. Im Regionalplan werden potentiell zu entwickelnde neue Wohn- und Gewerbegebiete definiert, aber auch Infrastrukturprojekte und Umweltthemen aufgegriffen. Für interessierte Bürger besteht während der Beteiligungsphase die Möglichkeit, sich die kommunalen Zukunftspläne anzuschauen und bei Vorbehalten sich zu äußern. Wichtig ist, dieses demokratische Recht jetzt zu nutzen, wenn die Pläne noch verändert werden können.

Stefan Heinig: Der Regionalplan und der regionale Flächennutzungsplan sind entscheidend dafür, wo in den Kommunen später geplant und neu gebaut werden kann. Bei der Abwägung der unterschiedlichen Ziele, Bedarfe und Interessen fällt die grundsätzliche Entscheidung, welche Flächen für Landwirtschaft, Grünraum oder Klimaschutz freigehalten werden müssen und wo Wohn- und Gewerbegebiete geplant werden können. Davon können Kommunen später nur unter besonderen Umständen und in einem aufwändigen Verfahren abweichen.

Maren Heincke: Außerdem sollte der Aspekt Nachhaltige Entwicklung ernst genommen werden, gerade von Seiten der EKHN. Ökonomie, Ökologie, Soziales aber auch kulturelle Aspekte spielen in die Planung mit rein. Dabei gibt es viele Zielkonflikte. Diese Zielkonflikte z. B. zwischen Wohnungsbedarf und Flächenschutz sind nicht so einfach aufzulösen. Beim Regionalplan wird dieser Zielkonflikt ganz konkret für Kommunen aufgezeigt. Lokales und regionales Wissen dabei einzutragen, kann zu besseren Kompromisslösungen führen.

Beteiligungsverfahren zur Neuaufstellung des Regionalplan Südhessen

  • Möglich bis zum 15. Dezember 2025 
  • Verwendung des Beteiligungsportals des Landes Hessen
    Es gibt ein Interaktives Kartenfenster, in dem man punktgenau seine Anmerkungen zuordnen kann.
  • Wem das Beteiligungsportal zu kompliziert ist, kann seine Stellungnahme außerdem per Email abgeben
    Für ganz Südhessen: Regierungspräsidiums Darmstadt: NeuaufstellungRPS-RegFNP@rpda.hessen.de
    Nur für den Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main: beteiligung@region-frankfurt.de 
  • Stellungnahmen können auch per Post abgegeben werden mit einem handschriftlich unterzeichneten Schreiben:
    Regierungspräsidium Darmstadt
    Dezernat III 31.1
    Wilhelminenstraße 1-3
    64283 Darmstadt

    Regionalverband FrankfurtRheinMain
    Poststraße 16
    60329 Frankfurt am Main
  • Abgegeben werden können:
    • Gesamtstellungnahmen,
    • Stellungnahmen zu einzelnen Beteiligungsgegenständen,
    • Abgabe von mehreren separaten Stellungnahmen, flls man sich zu mehreren Flächen äußern will,
  • Stellungnahmen können Privatpersonen und Organisationen abgeben.

Die Umsetzung der Regionalplanung wird direkte Auswirkungen auf die Menschen haben. Jetzt wird die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürger ermöglicht. Warum lohnt es sich, die Pläne anzuschauen und zu prüfen, was sie für das eigene Umfeld bedeuten?

Maren Heincke: Meiner Erfahrung nach wachen Bürgerinnen und Bürger leider oft erst viel zu spät auf. Es bilden sich manchmal erst dann Bürgerinitiativen beispielsweise gegen neue Gewerbegebiete,  wenn die staatlichen Genehmigungen dafür bereits vorliegen. Das führt natürlich zu vielen unnötigen Konflikten vor Ort. Deshalb ist die frühe Beteiligung so wichtig.

Stefan Heinig: Die von Maren Heincke beschriebene Situation nennt man auch „Beteiligungsdilemma“. In einer frühen Planungsphase gibt es noch vielfältige Änderungsmöglichkeiten, aber das öffentliche Interesse ist gering. Wird die Planung konkreter oder ist sogar bereits abgeschlossen und die Bagger rollen an, nehmen Kritik und Widerstände zu. Aber die Möglichkeiten, das Vorhaben zu verändern und anzupassen, schwinden. Die frühzeitige Beteiligung zum Regionalplan oder am Flächennutzungsplan bietet deshalb noch viel Spielraum für die Menschen, die Entwicklung vor Ort zu beeinflussen.

Maren Heincke: Kirchenmitglieder können mitwirken, indem sie schauen, wie sich ihr Nachbarschaftsraum konkret entwickeln soll. Zum Beispiel kann eine Kirchengemeinde mit der Kommune eine kleine entsprechende Infoveranstaltung durchführen. Kirche trägt damit auch zur Demokratiestärkung bei, indem sie konstruktiv an demokratischen Entscheidungsprozessen mitwirkt.

In Südhessen herrscht seit langem Wohnungsnot. Wie reagiert darauf die Regionalplanung?

Stefan Heinig: Die Regionalplanung sieht insgesamt 3.900 ha Fläche für den Wohnungsbau vor. Das ist weniger als im bisher wirksamen Plan, aber trotzdem noch viel Raum für den Neubau von Wohnungen. Darüber hinaus wird darauf geachtet, dass diese Flächen möglichst gut im ÖPNV angebunden sind und bei der Entwicklung eine angemessene Bebauungsdichte erreicht wird. Das ist eine wichtige Grundlage für mehr Wohnungsbau. Allerdings sind die Kommunen auch aufgefordert, mit diesen Möglichkeiten effektiv umzugehen. Gerade angesichts des Mangels an preisgünstigen Wohnungen sollten spätere Bebauungspläne einen hohen Anteil an geförderten Wohnungen beinhalten. Frankfurt hat dafür einen „Baulandbeschluss“, der klare Quoten vorschreibt. Regional ist es aber wichtig, dass sich alle Kommunen am sozialen Wohnungsbau beteiligen.  

Maren Heincke: Ich stimme Stefan Heinig zu. Der Wohnungsmangel gerade in den preiswerteren Segmenten ist in Südhessen enorm, insbesondere in den Städten. Allerdings möchte ich, dass der Planungsgrundsatz „Innen- vor Außenentwicklung“ konsequent angewendet wird. In vielen Dörfern und Kleinstädten sehe ich eine Verödung und Leerstand in den Ortskernen, während gleichzeitig fröhlich auf der „grünen Wiese“ neue Einfamilienhäuser wachsen. Das ist nicht zukunftsfähig.

Warum ist es nicht immer zukunftsfähig, auf der „grünen Wiese“ zu bauen?

Maren Heincke: Mit landwirtschaftlichen Böden muss sehr sparsam umgegangen werden. Bodenschutz hat ganz zentral mit der Ernährungssicherheit zukünftiger Generationen zu tun. Ich habe persönlich am Nachhaltigkeitsziel des Landes Hessen mitgearbeitet, den täglichen Flächenverbrauch in Hessen auf 2,5 Hektar zu begrenzen. Deshalb begrüße ich es auch sehr, dass im jetzigen Entwurf zum neuen Regionalplan Südhessen 2.000 Hektar weniger ausgewiesen werden als dem derzeit gültigen Regionalplan Südhessen. Dazu muss man wissen, dass immer Flächen mit viel Überhang ausgewiesen werden, damit die Kommunen ausreichende Entwicklungsmöglichkeiten haben. Sehr viele Flächen aus der Altplanung wurden aber gar nicht realisiert. Die aktuelle Kritik der Kommunen an Restriktionen bei den Neuausweisungen muss man sich also sehr genau in Bezug auf die Plausibilität anschauen.

Stefan Heinig: Die Kommunen sind deshalb aus meiner Sicht gefordert, nicht nur den Wohnungsneubau in den Blick zunehmen, sondern auch den Bestand. Aktivierung von Leerständen, Baulücken, Aufstockungsmöglichkeiten und vieles mehr können einen Beitrag zu ausreichend bezahlbarem Wohnraum leisten. Das kann aber nicht der Regionalplan regeln, sondern Kommunen müssen hier – ergänzend zum Neubau – Eigentümer aktiv beraten, aber auch ihre rechtlichen Möglichkeiten nutzen.   

Was wären laut der beiden Pläne die größten Veränderungen, die auf Menschen in den südhessischen Städten und ländlichen Gebieten zukommen?

Stefan Heinig: Die größten Veränderungen sind natürlich die zusätzlich geplanten Wohn- und Gewerbeflächen. Aber da ist es wichtig, konkret vor Ort in die Pläne des Regionalplans bzw. des Regionalen Flächennutzungsplans zu schauen, was neu geplant wird. Entscheidend sind in beiden Plänen die jeweiligen „Vorranggebiete“.

Sind in den Plänen auch Gesundheits-, Umwelt- und Klimaschutzaspekte eingebunden? Wenn ja – wie konkret?

Maren Heincke: Ja, zu den Plänen gibt es verpflichtende Umweltberichte. In denen werden zum Beispiel Zielkonflikte mit dem Schutz der Biodiversität aufgezeigt, wenn beispielsweise Neubaugebiete bestehende wertvolle Biotope beeinträchtigen könnten. Es geht aber auch um Wasserschutz und Bodenschutz. Das Thema Erhalt der menschlichen Gesundheit hat neu an Bedeutung in der Planung gewonnen. Wer im Rhein-Main-Gebiet lebt, weiß, was Hitzesommer für einen erheblichen Gesundheitsstress bedeuten. Deshalb sieht der neue Regionalplan Freiflächen vor, die nicht bebaut werden sollen, da sie als Frischlaufschneisen oder Kaltluftentstehungsgebiete dienen sollen. Gerade in der Nacht ist eine Abkühlung sehr wichtig für Schlaf und Erholung. Tropische Nächte stressen den Organismus erheblich. Klimawandelanpassung ist in den Hitzeregionen Südhessens wirklich notwendig, in den nächsten Jahrzehnten wird es noch heißer. In den letzten 80 Jahren ist die Mittlere Jahrestemperatur am Standort Frankfurt Flughafen um fast 1,9 Grad angestiegen. Das zeigt sich rund um Frankfurt u. a. durch das Absterben vieler Bäume durch Trockenstress. Allerdings kollidieren diese geplanten „Klimaschutzgebiete“ in Teilen mit den Bebauungsplänen der Kommunen und werden deshalb sehr kritisch gesehen.  

Welche Rolle spielt die Kirche rund um den Regionalplan und den Flächennutzungsplan? Wie können sich Kirchengemeinden, Nachbarschaftsräume und Dekanate einbringen?

Maren Heincke: Eine Rolle der EKHN ist es, als ein Akteur unter mehreren, mit dazu beizutragen, dass die Öffentlichkeit rechtzeitig auf die Planungen aufmerksam wird. Denn das Thema Regionalplan ist schon recht speziell, und so lang ist die Beteiligungsphase nicht. Neben der Informationsweitergabe kann Kirche vor Ort sich mit den konkreten Plänen in den Kommunen befassen und bei Bedarf auch eine Stellungnahme abgeben. EKHN-Organisationen können sich in ihrer Rolle als „Körperschaften öffentlichen Rechts“ äußern. Wenn die Abläufe aber zu lange dauern, können sich Kirchenmitglieder aber auch einfach als Privatpersonen beteiligen.

Stefan Heinig: Es geht ja schon um ein komplexes Planwerk. Allein der Textteil hat 310 Seiten. Deshalb lohnt es sich, vor Ort auch mit anderen Akteur:innen wie Naturschutzverbänden, Vereinen oder Gewerkschaften ins Gespräch zu kommen und Erkenntnisse auszutauschen. Vielleicht entsteht daraus auch eine weiterführende Zusammenarbeit, um gutes Leben vor Ort zu gestalten. Denn die Pläne, zu denen jetzt beteiligt wird, sind ja nur ein Baustein für eine zukunftsfähige Kommunalentwicklung.

Vielen Dank an Sie beide für das Gespräch!

Pläne, Infos und Beteiligung

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