Evangelische Kirche in Hessen und Nassau
Grafik einer trauernden Frau, die sich gegen eine weiße Silhouette lehnt, die eine verstorbene, nahestehende Person symbolisiert

© gettyimages, olga kurbatova, vecticon

Trauer um einen geliebten Menschen kann sehr schmerzhaft sein. Und trotzdem ermutigt die Trauerbegleiterin Chris Paul: „Trauern ist die Lösung – nicht das Problem.“ Es ist also langfristig hilfreich, die unterschiedlichen Facetten des Trauerns zu durchleben - und dabei gibt es Unterstützung.
  • Trauer

In der Trauer Halt finden: Empfehlungen und Unterstützung für Trauernde

veröffentlicht 10.06.2025

von Rita Haering, CBZ

Trauer kann heftig sein – und widersprüchlich. Genau das ist normal. Die evangelische Trauerbegleitung bietet Impulse, die helfen, den eigenen Weg zu finden und mit dem Verlust zu leben, nachdem ein nahestehender Mensch gestorben ist.

Trauer kann sich wie ein Ausnahmezustand anfühlen – und doch gehört sie zum Leben dazu. Plötzlich fehlt ein Mensch, der einfach da war: zum Umarmen, zum Fragen, für gemeinsame Momente. Viele erleben intensive Gefühle wie Verzweiflung, tiefe Traurigkeit, Wut, innere Leere oder sogar Erleichterung nach schwerer Krankheit.

Den Verlust zu verarbeiten gehört zu den herausforderndsten Erfahrungen im Leben. Entlastend ist: Es gibt keine Regeln, wie Trauer zu sein hat. Die Vorstellung, man müsse „loslassen“, gilt heute als überholt. Trauerforschung und christlicher Glaube zeigen: Die Beziehung zur verstorbenen Person kann bleiben – in neuer Form. Denn Trauer ist auch Liebe. Sie bewahrt die Verbindung und kann sie verwandeln.

Es gibt kein Richtig oder Falsch im Trauern. Aber es gibt Empfehlungen, die den persönlichen Trauerprozess unterstützen können. So kann das TrauerKaleidoskop dabei helfen, die vielen Facetten der Trauer zu verstehen.

Trauer verarbeiten

TrauerKaleidoskop: Die „Facetten des Trauerns“

Trauer ist oft mit intensiven, manchmal widersprüchlichen Gefühlen verbunden. Wer sich diesen Emotionen stellt, kann langfristig seine innere Stabilität stärken und die Voraussetzung für neue Lebenskraft schaffen. Die evangelische Theologin und Trauerbegleiterin Chris Paul ermutigt: „Trauern ist die Lösung – nicht das Problem.
In ihrem Modell des „TrauerKaleidoskops“ beschreibt sie sechs Facetten, die Trauernde auf ihrem Weg durchleben können. Sie treten nicht in fester Reihenfolge auf, sondern wechseln je nach Lebenssituation und innerem Zustand. Jede Facette darf sein – und jede kann helfen, den eigenen Weg zu finden.

Die Facetten des Trauerns:

  • Überleben: Wenn alles zu viel wird, geht es zunächst darum, den Tag zu überstehen. Manche Menschen lenken sich ab, andere ziehen sich zurück. Ein Schritt kann sein, das eigene Nervensystem mit hilfreichen Methoden zu beruhigen.
  • Wirklichkeit begreifen: Der Abschied ist endgültig – und doch kaum zu fassen.  Gespräche und ein letzter, persönlicher Besuch bei der oder dem Toten können helfen, die neue Realität zu akzeptieren.
  • Gefühle: Verzweiflung, Wut, Ohnmacht, Schmerz, Erleichterung, Angst, Neid, Dankbarkeit, Sehnsucht, Liebe und weitere Gefühle können zu einem Trauerprozess gehören. Das kann sich auch in körperlichen Beschwerden zeigen. Deshalb plädiert Chris Paul dafür: „Jedes Gefühl braucht auch einen Ausdruck“ – damit der Körperschmerz wieder in den Hintergrund treten kann.
  • Sich anpassen: Der Alltag verändert sich. Rollen, Aufgaben und Beziehungen müssen neu gedacht werden. Das kostet Kraft – und braucht Zeit.
  • Verbunden bleiben: Nach dem Tod eines Menschen müssen Nahestehende auf das bisher gewohnte Miteinander verzichten. Sie konzentrieren sich nun auf Erinnerungen und Träume, Manche nehmen die geliebte Person als eine Art unsichtbaren, aber gefühlten Begleiter wahr, der sie in entscheidenden Momenten stärkt.
  • Einordnen: Der Verlust kann das eigene Weltbild erschüttern. Fragen nach dem Warum tauchen auf. Wer Freude und Leid nebeneinanderstehen lassen kann, findet oft neue Lebensfreude.

Aufgaben während des Trauerprozesses

Während das TrauerKaleidoskop die inneren Bewegungen der Trauer sichtbar macht, beschreibt der Psychologe William Worden vier Aufgaben, die Trauernde im Laufe der Zeit bewältigen können. Sie folgen keiner festen Reihenfolge und sind individuell verschieden – je nach Persönlichkeit, Beziehung zum Verstorbenen und Lebenssituation.

Rituale, die Halt geben

Rituale sind wie Anker, sie können während der Trauerzeit helfen, Gefühle zu sortieren, Erinnerungen zu würdigen und die neue Wirklichkeit zu gestalten. Dabei zählt nicht, was „man so macht“, sondern was sich stimmig anfühlt und Trost schenkt:

  • Grabstelle aufsuchen – Nähe spüren, Zwiesprache halten, Gefühle zulassen,
  • Erinnerungsplatz zuhause einrichten – mit Kerze, Foto, Blumen: ein Ort der Verbindung,
  • Gemeinsam erinnern – erzählen, Bilder betrachten, Geschichten teilen
  • Gebet – allein oder in Gemeinschaft: Gedanken ordnen, Schmerz vor Gott ablegen,
  • Reise zu Erinnerungsorten – Lieblingsplätze aufsuchen, die mit der verstorbenen Person verbunden sind,
  • Teilnahme an Gedenkgottesdiensten – z. B. am Ewigkeitssonntag: Namen verlesen, Kerzen entzünden, Halt im Glauben finden.

Kirchliche und andere Angebote: Austausch und Unterstützung suchen – nicht allein bleiben

Trauer braucht Gemeinschaft. Gespräche mit Freund:innen, Seelsorgenden oder Trauerbegleiter:innen können entlasten und neue Perspektiven eröffnen. Auch kirchliche und andere  Angebote schaffen Raum für individuelle Trauer und spirituelle Begleitung.

Mögliche Unterstützungsangebote:

Wenn der Geburtstag zum Gedenktag wird

Der Verlust eines Kindes erschüttert Eltern bis ins Innerste. Wie eine Familie Wege findet, mit ihrer Trauer zu leben – und warum das Feiern des Geburtstags des verstorbenen Sohnes dabei eine besondere Rolle spielt –, erzählt Armin Himmighofen in seinem bewegenden Text „Weiterleben mit Jürgen“.

Unser Sohn hat am 11. Mai Geburtstag. Wir feiern dieses Datum, denn wir wollen ihn nicht vergessen. Er gehört zu unserer Familie, solange wir leben. Meine Frau und ich haben noch zwei Töchter.

Manchmal werden wir gefragt, ob wir damit etwas verhindern wollen. Sie denken, es sei so eine Art Innenraum in unserer Familie, in dem wir unseren Sohn aufbewahren wollen und zu dem nur wir Zugang haben. Sie denken, wir können gar nicht Abschied nehmen.

Doch wir nehmen Abschied, aber wir lassen nicht los. Abschied bedeutet für uns, dass wir unseren Sohn behandeln, als wäre er an einen Ort verreist, an den wir nicht hingelangen können. Wir sprechen über ihn und wir stellen uns vor, wie er jetzt aussieht. In diesem Jahr wird er 39 Jahre alt. Er könnte schon selbst Kinder haben. Wahrscheinlich würde er sich rührend um sie kümmern. Er hat als Jugendlicher in der Kirchengemeinde eine Kindergruppe geleitet. Er konnte ausgelassen mit den acht- und neunjährigen spielen, singen und Quatsch machen. Davon erzählen uns heute noch Eltern, die ihre Kinder zu ihm schickten. 

Die Zeit nach dem Verlust: besondere Tage und erste Male

Die erste Zeit nach dem Verlust ist oft besonders herausfordernd. Viele erleben schmerzhafte „erste Male“: das erste Weihnachtsfest, den ersten Geburtstag, den ersten Todestag – ohne den geliebten Menschen. Diese Tage sind intensiv, aber auch eine Chance für bewusstes Gedenken. Übrigens: Auch die Bibel kennt Trauerzeiten – etwa im Buch Hiob oder in den Psalmen. Sie zeigen: Trauer braucht Raum, Zeit und Gemeinschaft.

Impulse für besondere Tage:

  • Weihnachten ohne geliebten Menschen: Frühzeitig überlegen: Wer soll dabei sein? Welche Rituale fühlen sich stimmig an – etwa ein Friedhofsbesuch, das Anzünden einer Kerze oder einen Erinnerungsort aufsuchen? Überlegen was gut tut und Bedürfnisse klar kommunizieren – Rückzug ist ebenso erlaubt wie Gemeinschaft.
  • Geburtstag des Verstorbenen: Ein bewusster Moment des Gedenkens – beispielsweise durch einen Brief, einen Besuch am Grab oder ein gemeinsames Ritual. Auch kleine Gesten von Freund:innen können Trost spenden.
  • Hochzeitstag nach dem Verlust: Für Witwen und Witwer oft besonders schmerzhaft. Ein Foto, eine Kerze, ein Brief oder ein Besuch am Grab können Nähe schaffen – ganz ohne Zwang.
  • Ostern & Passionszeit in der Trauer: Gottesdienste in evangelischen Kirchen greifen Leid und Hoffnung auf – z. B. am Karfreitag. Viele finden darin einen spirituellen Raum für ihre Trauer und Hoffnung auf neues Leben.
  • Ewigkeitssonntag – Gedenkgottesdienst in der Gemeinde: Die Namen der Verstorbenen werden verlesen, Kerzen angezündet – eine würdevolle Form der Erinnerung. Viele Angehörige nutzen den Tag für einen Friedhofsbesuch oder ein gemeinsames Ritual.

© gobasil

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Quellen:

  • Impulspost der EKHN: Trauer mit mir
  • Fachliche Beratung: Studienleiterin und Pfarrerin Carmen Berger-Zell
  • Chris Paul: trauerkaleidoskop.de
  • Netzwerk – Arbeit mit Trauernden Berlin

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