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Der Alte Dom St. Johannis: Wo Geschichte auf gelebten Glauben trifft
veröffentlicht 18.09.2025
von Online-Redaktion der EKHN
Nicht Rom, sondern Mainz: In der Kirche St. Johannis finden römische Tempelreste, mittelalterliche Krönungen und evangelischer Glaube zusammen. Der Alte Dom St. Johannis zählt zu den ältesten christlichen Orten Deutschlands. Nach abgeschlossenen Grabungen und der statischen Sicherung wird ihre Geschichte neu erlebbar.
Die Kirche St. Johannis in Mainz ist mehr als ein historisches Bauwerk – sie ist ein lebendiger Ort, an dem sich rund 2.000 Jahre menschliches Wirken ablesen lassen. Der Alte Dom St. Johannis zählt zu den ältesten erhaltenen christlichen Kirchen nördlich der Alpen. Nach dem Trierer Dom gilt sie als älteste Bischofskirche Deutschlands. Die meiste Zeit war sie christlich geprägt – und ist heute Heimat einer aktiven evangelischen Innenstadtgemeinde mit der Johanniskantorei.
Das Areal des Alten Doms St. Johannis - ein Fenster in die Vergangenheit
Archäologische Erfolge: Vom Fußboden zur Fundgrube
Was als Einbau einer Fußbodenheizung begann, wurde zur archäologischen Sensation: Seit 2013 öffnete sich das „Fenster in die Vergangenheit“. Bis zu sieben Meter tief gruben Archäologinnen und Archäologen per Hand und förderten rund 500.000 Fundstücke zutage. Darunter befanden sich: römische Haarnadeln, mittelalterliche Münzen, ein Christuskopf, eine Bocciakugel und Austernschalen. Auch das Kircheninnere wurde angepasst: Verputz entfernt, Einbauten zurückgebaut, Seitenschiffe geöffnet. So erleben Besucherinnen und Besucher heute den Kirchenraum wie um das Jahr 1000. Im Spätsommer 2025 wurden die statische Sicherung sowie die archäologischen Grabungen im Evangelischen Alten Dom St. Johannis in Mainz vorerst beendet.
Ergebnisse und Erkenntnisse der archäologischen Forschung
Die Kirche steht auf geschichtsträchtigem Boden: Reste eines römischen Jupiterheiligtums und einer Großarchitektur aus dem 2. Jahrhundert wurden freigelegt. Der erste Kirchenbau – damals noch als Kathedrale St. Martin bekannt – stammt vermutlich aus dem 5. oder 6. Jahrhundert. Später entstand das erste Taufhaus von Mainz und eine Krypta. Um das Jahr 1000 wurde ein Neubau errichtet, der für Königskrönungen und die Bestattung eines Erzbischofs genutzt wurde - nicht zuletzt deshalb, weil sich die Weihe des Neuen Doms verzögerte. 2019 wurde der Sarkophag des Erzbischofs Erkanbald entdeckt – ein Beleg dafür, dass St. Johannis die erste Bischofskirche der Stadt war.
Ein König für Europa: Konrad II. und seine Krönung

© Getty Images, ZU 09
Im Jahr 1024 wurde Konrad II. – später römisch-deutscher Kaiser – im Alten Dom St. Johannis zum König der Deutschen gekrönt. Ein Ereignis von europäischer Tragweite, das bis heute Fragen nach Macht, Würde und Verantwortung aufwirft.
Buch präsentiert Ergebnisse der Ausgrabung
Die wissenschaftliche Publikation „Das Grab von Erzbischof Erkanbald (†1021)“ von Forschungsleiter Dr. Guido Faccani dokumentiert die Ergebnisse der Ausgrabung. Sie beleuchtet die liturgische Gewandung, die Lage der Bestattung und die historische Bedeutung des Erzbischofs. Ausführungen zu den historischen Fakten seiner Person runden die vorläufige Darstellung der Befunde ab.
Guido Faccani (Hrsg.): Das Grab von Erzbischof Erkanbald (†1021). Schnell und Steiner Verlag, Mainz 2024.
Webdoku: Geschichte zum Erleben
Die Webdoku „Der Alte Dom zu Mainz“ macht Geschichte digital erfahrbar: Mit Fotos, Videos und Texten lässt sich die Grabung nachvollziehen, Fundstücke entdecken und die Baugeschichte erkunden. Regie führten Susanne Stenner und Antje Bollmann – beide mit langjähriger Erfahrung in Dokumentarfilm und Fernsehjournalismus.
Heute: Glauben leben im Alten Dom
Der Alte Dom ist nicht nur Denkmal, sondern ein Raum, in dem Gottesdienste, Musik, Kunst und Kultur das Leben der Gemeinde prägen. Die Evangelische Kirchengemeinde Mainz-Innenstadt nutzt St. Johannis als Ort der Begegnung – zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Geschichte und Glauben.
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